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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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wunderbaren, schmiegsamen und ambrazarten Hals ein faszinierendes Gesicht in vollendetem Oval. Der sibyllinische und verführerische Ausdruck darin wirkt zwingend. Der kräftig gezeichnete Mund bildet eine bewegliche, stolze und üppige Linie unter der geraden und feinen Nase, deren Flügel über zwei Grübchen an den Mundwinkeln betörend zucken. Die prachtvollen, sammetweichen und dunklen Augen sind umrahmt von langen, gebogenen Wimpern. Ihre leichte Verträumtheit erinnert irgendwie an die Hindurasse. Ihr Blick ist rätselvoll, er schweift ins Leere. Die tiefschwarzen, gescheitelten Haare geben dem Gesicht einen dunklen Rahmen. Das ganze Geschöpf atmet Wonne, wirkt verwirrend, ist voll überraschender Reize, zauberhafter Schönheit und erstaunlicher Reinheit der Linie«. Diese gar nicht europäische, seltene Schönheit, dazu ausersehen, sich die Welt zu unterwerfen, war nichts für die guten Holländer. Sie sahen sie nicht, hatten kein Gefühl, geschweige Verständnis dafür. Sie sind an die alltäglichen blonden Üppigkeiten der drallen Frauenzimmer gewöhnt, die auf Terborchs Bildern z. B. lachend ihren Busen vor stumpfsinnigen Zechern zeigen, daher gehörten für sie Margarethe Gertruds köstliche Reize eher in das Gebiet der Karikatur als in das der Kunst. Ihre Pariser Freunde dagegen, die sie bisher nur flüchtig bewundern konnten, denken unaufhörlich an sie und fragen immer wieder, wann sie zurückzukehren gedenkt, um sie mit ihren Tänzen zu entzücken.
    »Ja, wann?« –
    So fragt sie auch sich selbst. Immer mehr wächst ihre Verzweiflung in dem zum Sterben öden Nymwegen, und trotz allwöchentlichen Drohbriefen ihres Gatten, worin er immer wieder für den Rest ihrer Tage mit dem Kloster droht, wenn sie noch ein einziges Mal seinen ehrlichen Namen auf der Bühne schändete, entschlüpft sie doch aufs neue im Frühjahr 1905 und debütiert kurz nach ihrer zweiten Ankunft in Paris, diesmal aber nicht mehr vor einem profanen Publikum, sondern im Tempel der orientalischen Religionen selbst, im Musée Guimet (Museum der Religionen) vor dem unergründlichen Lächeln eines großen goldenen Buddha. Die gesamte Presse äußerte am nächsten Morgen höchstes Lob über diese Veranstaltung. Man war aus dem Häuschen! Die Orientalisten zumal versetzte die plötzliche Offenbarung dieser unbekannten religiösen Ausdrucksformen in einen Rausch des Entzückens. Was wiederum auf Mata Hari rückwirkte: in einer Anwandlung von Autosuggestion ließ sie sich für eine eingeborene, gottgeweihte Tänzerin Indiens halten. Umgeben von kostbaren Reliquien, die Gelehrtenhände in Krishnas Heiligtum vereinigt haben, in einen durchsichtigen safrangelben Schleier gehüllt, zelebriert sie die nur in ihrer Phantasie vorhandenen Gebräuche einer feierlich sinnlichen Religionsübung. Die Erinnerung an das, was sie auf Java gesehen, und die Träumereien in der Einsamkeit zu Nymwegen haben sich dabei zu einem organischen Ganzen vereinigt.
    Ein amerikanischer Schriftsteller, der schon seit dreißig Jahren in Frankreich lebt, äußerte sich über die aufsehenerregenden Anfänge der berühmten Tänzerin etwa so:
    Ich sah sie nicht im Musée Guimet, wo nur ein kleiner Kreis von Eingeweihten sie bewundern konnte; aber ein paar Tage später, auf einem Fest, das die ersten Damen der Diplomatie besuchten, hatte ich das Vergnügen, eine der Pantomimen Mata Haris zu sehen; man hielt diese Tänze damals für eine peinlich genaue Wiederherstellung der geweihten Bajaderentänze von Benares. Ich erinnere mich, daß vor Beginn ein sehr würdiger Greis dem Publikum die Bedeutung der rhythmischen Zeremonie klar machte und betonte, es wäre wohl immerhin eine Art Vorzug, diesem Schauspiel beiwohnen zu dürfen. »Eine Jungfrau, schön wie Urwasi, rein wie Damayanti und wie Sakuntala aus einem Kloster,« so sagte er, »wird Ihnen die Sage der schwarzen Perle vermitteln.« Und als der gelehrte und verehrungswürdige Vortragende seine dunkle Geschichte beendet hatte, sahen wir ein schmächtiges weibliches Wesen erscheinen: braune Haut, herbe Züge, feurige Augen. Sie trug einen Rock, der den Leib frei ließ und begann langsam zu tanzen. Sie beschwor Szenen eines sagenhaften Dramas herauf. Prinzessin Anuba weiß, daß auf dem Grunde des Meeres eine Muschel mit einer schwarzen Perle ruht, gleich der, die im Dolchknopf Meschebs glänzt, und ihr ganzes Trachten geht dahin, den Fischer Amry zu verführen, damit er sich entschließt, das Kleinod heraufzuholen. Entsetzt
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