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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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Illinois!“
    Vater! Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als ihren Vater sehen zu dürfen, aber... „Bitte, bitte, laßt meinen Vater nicht kommen!“ wollte sie flehen, und erst dann fiel ihr wieder ein, warum sie sich gegen seinen Besuch wehrte. Sie wurde als Weiße betrachtet, aber ihr Vater war dunkel. Nicht schwarz, aber ganz zweifellos ein Neger. „Bitte nicht!“ Sie fuhr hoch. „Bitte nicht!“ schrie sie wild wie in einem Krampf.
    „Nun, nun“, versuchte die Schwester sie zu beruhigen, „es wird schon wieder alles gut. Ihr Fieber ist bereits um einen halben Grad gesunken, und Ihr Vater ist unterwegs zu Ihnen. Freuen Sie sich?“
    „Ja.“ Cara ließ sich willenlos zurücksinken und starrte hinauf zu der weißen Zimmerdecke, als stünde dort eine Antwort für sie geschrieben. Aber sie kannte diese Antwort ja bereits längst. Niemand konnte auf die Dauer mit einer Lüge leben, und sie hatte es bereits schon viel zu lange getan.
    Als Cara am Morgen erwachte, fühlte sie sich erschöpft, aber erleichtert. Es war, als hätte ihr Körper in der Nacht eine Schlacht geschlagen und gewonnen. Nach diesem Kampf begehrte sie nichts weiter, als ganz still zwischen den kühlen Laken liegen zu dürfen und durchs Fenster in das Schneegestöber hinauszuschauen.
    „Es geht mir besser“, meldete sie der Schwester.
    „Das will ich meinen“, bestätigte diese, las das Thermometer ab und trug das Resultat in die Tabelle ein.
    „Wie lange werde ich hierbleiben müssen?“ wollte Cara wissen.
    „Zu Weihnachten sind Sie bestimmt zu Hause“, versicherte die Schwester mit einem Lächeln, „aber da Sie nun mal hier sind, werden Sie es doch sicher aushalten, bis Sie ganz gesund sind, nicht wahr?“ Und dann mit einem Blick auf Caras Gesicht: „Im allgemeinen dauert es eine Woche. Aber da Sie in einem Schülerinnenheim wohnen, behalten wir Sie lieber ein bißchen länger, denn dort wäre niemand, der sich um Sie kümmern könnte. Und Sie werden noch eine ganze Weile recht schwach sein und Pflege brauchen.“ Sie hängte die Tabelle am Fußende von Caras Bett auf, und ohne ein weiteres Wort war sie verschwunden.
    In angenehmer Monotonie rollten die Stunden dahin. Cara schlief und erwachte und döste von neuem ein. Sie wußte, daß ihr Vater unterwegs war, und manchmal fühlte sie sich so frisch, daß sie an die Zukunft denken konnte. Sie war sicher, daß sie nicht mehr ins Heim zurückkehren konnte, sobald ihr Geheimnis offenbar geworden war. Vielleicht war es am besten für alle, wenn sie stillschweigend Philadelphia verließ und irgendwo noch einmal ganz von vorn anfing. Ihre Krankheit war wohl ein gerechtes Gericht über sie und ihre Lüge. Sie hatte ihrem Vater versichert, daß sie sich nicht ihrer Rasse schämte, und sie tat es auch nicht. Was also stand hinter ihrer Lüge? Schwäche! Alles war so leicht für die Weißen. Es war ihnen freigestellt, zu leben und zu lernen, wo immer es ihnen beliebte. Jede Karriere stand ihnen offen, und wenn einmal jemand Schwierigkeiten hatte, dann war es darum, weil er sich schlecht benommen hatte oder vielleicht auch durch ein Versehen; auf keinen Fall aber spielte die Hautfarbe eine Rolle dabei. Für sie gab es keine Türen und Schranken mit dem Schild: Kein Zutritt! Unsere Zeit ist von höchster Bedeutung in der Geschichte der Entwicklung der Farbigen, aber Cara hatte es vorgezogen, sich als Weiße auszugeben. Es war ihr nun, als hätte sie damit noch ein Körnchen Würdelosigkeit mehr auf die ohnedies überschwere Bürde ihrer Rasse geladen.
    Als sie gegen drei Uhr wieder erwachte, sah sie Liz in der Tür stehen und sie anlächeln. „Hallo, Cara!“ rief sie eifrig, „man hat mir gesagt, ich dürfe nicht zu dir hinein; ich muß hier auf der Schwelle stehenbleiben, während ich mit dir rede.“
    „Oh, guten Tag“, grüßte Cara schwach zurück und setzte sich mühsam auf. „Mein Vater ist wohl noch nicht da?“
    „Nicht daß ich wüßte“, antwortete Liz harmlos. „Kommt er denn?“
    Cara wurde verlegen. „Ja, ja, man sprach davon.“
    „Oh, wie schön!“ freute sich Liz ehrlich. „Du hast uns einen tüchtigen Schrecken eingejagt, weißt du das? Als ich deine Tür gestern nacht aufdrückte und dich auf dem Boden fand. Solche Sachen machst du hoffentlich nicht noch einmal!“
    „Es geht mir bereits viel, viel besser“, beteuerte Cara und erinnerte sich daran, daß Liz hergekommen war, um ein weißes Mädchen namens Cara Jamison zu besuchen. Sie wußte, daß sie Liz
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