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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball
Autoren: Arnold Kuesters
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dicht bei einem schon vor einigen Jahren verlassenen Wirtschaftsgebäude. Anders als das Haupthaus zeigte der Bau schon deutliche Zeichen des Verfalls. Die beiden Kommissare wurden an einer Absperrung bereits von einem Kollegen in Uniform erwartet, der sie abseits des Waldweges ein kurzes Stück hinein ins Unterholz führte. Die Spurensicherung war bereits bei der Arbeit.
    Frank und Ecki hatten in ihrer Zeit beim Morddezernat schon vieles gesehen, aber sie waren trotzdem jedes Mal erneut schockiert über die Brutalität, mit der Menschen anderen Menschen Leid antun konnten. Sie waren, wie immer so kurz vor ihrer ersten Begegnung mit der Leiche, angespannt bis aufs Äußerste. Als sich die beiden Kriminalhauptkommissare dem Tatort näherten, kam ihnen der diensthabende Gerichtsmediziner Richard Leenders entgegen.
    »Kein schöner Anblick, das kann ich euch sagen.« Leenders zog an seiner unvermeidlichen Zigarette. »Bevor ihr fragt: Viel haben wir noch nicht. Sind ja auch noch nicht lange bei der Arbeit.«
    Frank war ganz froh, dass er sich mit dem wie immer finster dreinblickenden und graubärtigen Leenders nicht auf lange Diskussionen einlassen musste. Sie beide mochten sich nicht besonders, ohne dass einer der beiden hätte erklären können, warum.
    »Schon gut, Leenders.« Frank wusste, dass Leenders wenig mehr hasste als vorschnelle Fragen nach Ergebnissen.
    »Hallo, Doc.« Ecki ließ den Mediziner stehen und verschluckte wohlweislich den Rest von Leenders Spitznamen – alle Kollegen nannten ihn in dessen Abwesenheit Mad Doc. Der Name hatte sich mit den Jahren eingebürgert und vermutlich mehr mit Leenders Arbeit zu tun als mit seiner Art. Denn wer wurde schon aus freien Stücken Gerichtsmediziner, um an unappetitlich zugerichteten und stinkenden Leichen herumzuschnippeln. So dachten zumindest die meisten im Präsidium.

    Der Tote hing am Baum. Aber nicht an einem Ast. Er war mit einem Strick lose an den glatten Stamm einer alten Buche gefesselt, sodass sein Körper mit weggeknickten Beinen schlaff vornüber gebeugt hing. Über den Kopf hatte man dem Toten eine Art Kartoffelsack gestülpt. Es konnte aber durchaus auch eine andere Art Sack sein, dachte Frank beim ersten Anblick, zumindest war er aus grob gewirktem braunen Leinen genäht.
    Franks Anspannung war jetzt seiner Routine gewichen. Sachlich und emotionslos begann er, seinen ersten Ermittlungskatalog abzuarbeiten. Ganz im Sinne seines erfahrenen Ausbilders, der immer wieder und beharrlich betont hatte, mehr als Mord geht nicht. Toter als tot gibt es nicht.
    Unterhalb der Knie konnte Frank auf der Hose des Toten dunkle Flecke sehen, sie sahen aus wie eingetrocknetes Blut. Ähnliche Flecke entdeckte er an den Oberarmen des Mannes. »Ecki, siehst du das?« Frank drehte sich zu seinem Freund um.
    »Merkwürdig. Diese Flecken an Beinen und Armen, meinst du? Was mag das sein?«
    »Keine Ahnung, mal abwarten, was Leenders nach der Obduktion dazu zu sagen weiß. Offene Wunden?« Frank ging einen Schritt näher an die Leiche heran. »Was ist das für ein Sack?«
    »Sieht aus wie ein alter Kartoffelsack.«
    »Hm. Hast du mal ein Taschentuch für mich?« Frank war sich ganz sicher, die Grippe hatte ihn endgültig erwischt. Dankbar nahm er das angebotene Tempo an und putzte laut schnaufend seine Nase. »Wenn ich dich nicht hätte.« Frank hielt die Leiche im Blick, als er von der einen Seite des Toten auf die andere wechselte. »Guck dir das mal an, sieht aus wie getrocknetes Blut. Der Sack ist ganz voll davon.« Erst jetzt bemerkte Frank, dass der Körper des Mannes über und über mit Waldboden und Blättern beschmiert war. »Und was hat das nun wieder zu bedeuten? Der ganze Dreck?«
    »Vielleicht hat es vorher noch einen Kampf gegeben und Täter und Opfer haben sich auf dem Boden gewälzt.«
    Frank betrachtete das Umfeld der Buche. »Nach Kampfspuren sieht das hier aber nicht aus. Außerdem haftet der Boden zu gleichmäßig an den Kleidern. Was hat er überhaupt an?«
    »Sieht aus wie ein Hausanzug aus Baumwolle, fast wie ein Trainingsanzug. Keine Knöpfe an der Jacke, sondern ein Reißverschluss.« Ecki sprach bereits in sein Diktiergerät. »Das tragen alte Menschen zu Hause, aus Bequemlichkeit oder wenn sie ins Krankenhaus müssen. Als mein Vater vor einem Jahr wegen seines Magengeschwürs ins Elisabeth-Krankenhaus musste, hat meine Mutter ihm auch so ein Teil gekauft. Einen Bademantel wollte er nämlich nicht. Seit er wieder zu Hause ist, läuft er abends
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