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Masken der Lust (German Edition)

Masken der Lust (German Edition)

Titel: Masken der Lust (German Edition)
Autoren: Noelle Mack
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musst deine Entscheidung ohne Druck von mir treffen.
All meine Liebe auf ewig,
Marco
     
P. S. Ich habe das Zaubern aufgegeben. Normalsein ist leichter (glaube ich).
 
    Sarah sog den Atem ein und sah erneut auf die Flugdaten. Der Termin war in einem Monat. Er war willens zu warten und achtete ihre Bedingungen. Er hatte zugehört. In vier Wochen wäre er geiler als die Hölle, und sie würden eine Menge Spaß haben.
    Sie war sich eigentlich ziemlich sicher, ihn wirklich zu lieben. Jedenfalls hatte sie vier Wochen Zeit, sich hineinzusteigern, sich sämtliche Nägel abzukauen und dann endlich zu entscheiden. Sie würde die Vorsätze beherzigen, die sie beim Warten auf den Rückflug gefasst hatte: es zu durchdenken, mit einem vertrauenswürdigen Freund zu besprechen, sich in keine Fernbeziehung zu stürzen, bloß, weil sie so verdammt einsam war, und ihr Selbstwertgefühl durch regelmäßige Schinderei im Fitnesscenter aufzupolieren.
    Zum Glück hatte sie ihre Mitgliedsbeiträge für sechs Monate im Voraus bezahlt, denn nun war sie ja arbeitslos.
    Aber jemand liebte sie. Alles andere würde sich schon fügen.
    Sarah legte den Kopf auf die verschränkten Arme und betrachtete darüber hinweg den Brief mit Marcos Nachricht.

Komm zurück. All meine Liebe.

    Cool.

    Sie trödelte im Laden herum, sah sich die neue Ware an und schenkte dem Filialleiter, der herumflitzte, um Geschäftigkeit vorzutäuschen und die Angestellten zu schikanieren, ein falsches Lächeln. Al Speer sah aus wie immer: kurzärmeliges weißes Hemd, zerkratzte Brille, die zu altmodisch war, um retro-hip zu sein, und eine Hose mit löchrigen Taschen. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie er sie aufgerissen hatte. Der Mann war irgendwie ein Scheusal.
    Doch es konnte sein, dass sie ihn um ihren alten Job bitten müsste. Sie behielt ihr falsches Lächeln bei, selbst wenn er ihr den Rücken zukehrte, und sandte Gedankenwellen in sein Hirn, um ihn ihre Kündigung vergessen zu machen.
    Er blieb stehen, um nach Luft zu schnappen, und entdeckte sie an einem der Aufsteller mit hochwertigem Briefpapier. «Hey, da bist du ja! Ich muss mit dir reden. Wieso hast du gekündigt?»
    So viel zu ihren telepathischen Fähigkeiten.
    «Oh – mir wurde Arbeit in Venedig angeboten –»
    «Du erzählst echt viel Scheiße.» Al grinste sie an.
    Grob, widerlich, aber nicht blöd. Sarah war unsicher, ob sie ihn aushorchen sollte.
    «Willste zurückkommen? Uns fehlen Leute. Dieser Konzeptkünstler hat die Buchhaltung völlig vermasselt.»
    «Ich bin kein Zahlenmensch.»
    «Kannst abheften.» Al stemmte die Hände in seine birnenförmigen Hüften und sah sie hoffnungsvoll an. «Was sagste?»
    «Okay. Für einen Monat.»
    «Gebongt. Du fängst Montag an. Ich weiß, du willst deinen Kumpel Vincent sprechen. Ist unten und schnippelt Passepartouts. Geh schon.»
    «Danke», sagte Sarah. Eine Sorge weniger. Sie hatte ihren schäbigen Job zurück.

    Vincent stand, eine Schürze um die Taille, hinter einer langen Arbeitsplatte, schnitt einen Bogen Pappe für Bilderrahmen zurecht und achtete dabei auf säuberlich schräge Kanten. Die zu rahmende Kunst war nichts Besonderes: eine Kreuzstichstickerei, zwei niedliche Kätzchen in einem Körbchen darstellend, sowie ein Diplom in Zahnheilkunde.
    «Hey, Vincent.»
    Er sah hoch. «Sarah! Seit wann bist du wieder da?»
    «Seit letzter Nacht.»
    «Hat’s Spaß gemacht? Wie war Venedig? Ich habe deine Schecks eingereicht.»
    «Ich weiß. Danke. Hat Riesenspaß gemacht.»
    «Bin ich froh, dass sie nicht geplatzt sind.» Er sah sich um, ob der Filialleiter mitgehört hatte, und schnippte dabei seinen Pferdeschwanz über seine Schulter in dem karierten Hemd. Er war ein schmächtiger Bursche mit langem Haar, kleiner als sie, zog sich aber gern wie ein Holzfäller an, mit Stahlkappenstiefeln und einem Leatherman-Werkzeug, das die vordere Tasche seiner Flanelljeans anzüglich ausbeulte.
    Er betrachtete sie eingehend. «Du siehst verändert aus.»
    «Tu ich das?»
    «Doch, als hätte dir jemand das Herz gebrochen.»
    Sie starrte ihn an und war außerstande, die aufsteigenden Tränen zurückzuhalten. «Ich habe mir selbst das Herz gebrochen. Er wollte, dass ich bleibe, und ich sagte ihm, dass ich gehen müsste.»
    «Sarah … Sag nicht so was. Du klingst wie eine gottverdammte Country-and-Western-Schnulze. Wer war der Kerl? Muss ich nach Venedig fliegen und ihn zusammenschlagen?»
    «Er ist größer als du. Ich werde dir alles erzählen. Aber
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