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Masala Highway

Titel: Masala Highway
Autoren: Gabriel A Neumann
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Koalition um die Kongresspartei zu behaupten. Eine wichtige Partnerin ist die Bahujan Samaj Party, die sich für die Rechte der Unberührbaren, der Dalits, einsetzt und in wenigen Jahren zur drittgrößten Partei Indiens wurde. Ihr wichtigstes Mitglied ist eine Frau, Mayawati Kumari, die aus einer Dalit-Familie stammt. 2007 erreichte sie etwas, das für viele Inder wegen der Kombination ihrer Herkunft und ihres Geschlechts fast so unglaublich gewesen sein muss wie für viele Amerikaner die Wahl Barack Obamas zum ersten schwarzen Präsidenten der USA: Mayawati ist Ministerpräsidentin von Uttar Pradesh, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat Indiens, der mehr als doppelt so viele Einwohner hat wie Deutschland. Allerdings spielen Frauen aus etablierten Schichten in der indischen Politik schon seit Langem eine Rolle: Von der Mitstreiterin M.K. Gandhis, Annie Besant, über die Premierministerin Indira Gandhi bis zur derzeitigen Präsidentin Pratibha Patil prägten immer wieder Frauen auf höchster Ebene die politische Welt Indiens – leider kein Spiegel des Lebens in weniger prominenten Bereichen.
    Unwahrscheinlich hingegen ist, dass die hindu-konservative BJP in nächster Zeit eine Frau zum Parteioberhaupt macht. Ihre Wurzeln teilt die Lotusblüte der indischen Parteienlandschaft mit einer faschistisch anmutenden Organisation, dem Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), kurz Sangh. Diese paramilitärisch organisierte Kampftruppe tauchte zum ersten Mal im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit auf, als ein von RSS-Mitgliedern angeführter Mob Ende 1992 eine Moschee in der nordindischen Stadt Ayodhya abriss. Der vorgebliche Grund: Jahrhunderte zuvor stand an der Stelle des muslimischen Gebetshauses ein Rama-Tempel. Der Abriss und der spätere Bau eines Hindu-Tempels am gleichen Ort war eine gezielte Provokation der muslimischen Gemeinde Indiens. Weit über 1 000 Menschen starben bei den auf den Abriss folgenden Unruhen. Die religiösen und ethnischen Unterschiede Indiens zum Wahlkampfthema zu machen, liegt für eine populistisch auftretende Partei allzu nahe. Als die BJP 1998 die Parlamentswahlen gewann, wurde sie zwar in ihrem Auftreten zurückhaltender, bleibt aber bis heute ihrer nationalistisch-populistischen Linie treu. Zwar treten BJP-Politiker nicht als aktive Anführer von gegen Muslime gerichteten Pogromen auf. Doch der BJP-Regierungschef von Gujarat, Narendra Modi, schaute im Jahr 2002 einfach weg, während der Mob auf den Straßen des Landes rund Tausend Menschen lynchte. Vorfälle wie dieser, von dem sich Modi bis heute nicht distanziert, prägen das Renommee seiner Partei.
    Dabei ist der Hinduismus, dem missionarischer Eifer, religiöse Intoleranz und die Ausübung von Gewalt fremd sind, denkbar ungeeignet als Vorlage für eine solche politische Strömung. Für die Rechte der Frau in der indischen Gesellschaft einzutreten, ist vermutlich das Letzte, was einem BJP-Parteigänger in den Sinn kommen würde. Aber wer weiß, in der indischen Politik ist vieles möglich: Zu den überraschenden Themen ihrer Regierungszeit gehörte die Wiederaufnahme von Gesprächen mit Pakistan. Durch den seit Jahrzehnten schwelenden Kashmir- Konflikt steht der muslimisch geprägte Nachbarstaat faktisch im Krieg mit Indien. In die Regierungszeit der BJP fällt allerdings auch die Profilierung des Staates Indien als Atommacht. 1998 zündete Indien bei Pokaran in Rajasthan, nicht weit von der pakistanischen Grenze, einige ihrer „atomic devices“ – zu Testzwecken. Das beunruhigende Ergebnis: Pakistan zog wenig später nach, heute haben sich beide Länder mit Nuklearsprengköpfen und den passenden Raketen ausgerüstet.
    Im Jahr nach den Tests traf ich in Maharashtra auf einen Kommunalpolitiker der BJP. Die USA unter Bill Clinton waren sich zu der Zeit noch unschlüssig, ob sie sämtliche Handelsverbindungen zu Indien kappen oder das Land zum Bündnispartner machen sollten. In Pakistan kriselte es, später im Jahr sollte General Pervez Musharraf sich an die Macht putschen. „Wozu braucht Indien eine Atombombe?“, fragte ich den Mann, ein jovialer Typ über fünfzig, der seine verbliebenen Haare mit Henna gefärbt hatte.
    „Suniye, I got a gun in my house – hören Sie, ich habe zu Hause eine Pistole“, antwortete er, eine Stellungnahme, die ich nicht unbedingt von einem Politiker erwartet hätte. Er hielt kurz inne, um zu sehen, ob seine Worte bei mir angekommen waren. „Wenn ein Dieb in mein Haus kommt, werde ich diese Pistole
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