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Masala Highway

Titel: Masala Highway
Autoren: Gabriel A Neumann
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dennoch rund zehn Bündnispartner mit ins Boot holen, um die nötige Mehrheit im Parlament zu erhalten. Dass es so viele sind, liegt an der Zersplitterung der Parteienlandschaft – die wiederum ihren Grund in der Anwendung des Mehrheitswahlrechts und dem regionalpolitischen Charakter der meisten der indischen Parteien hat. In jedem Wahlkreis gewinnt der Kandidat, der bei einer Wahl die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. So können Lokalmatadoren und Vertreter von Minderheiten, auch wenn sie nur in einzelnen Regionen stark vertreten sind, in die Lok Sabha gewählt werden.
    „Nach der Wahl ist vor der Wahl“ – dieser Spruch erhält deshalb in Indien eine ganz neue Bedeutung. Bei den Koalitionsverhandlungen geraten Parteitagsprogramme, Wahlversprechen und Konzepte, die Probleme des Landes anzupacken, sehr schnell in den Hintergrund. Nach der Wahl beginnt das Geschacher um Ämter: Die kleinen Koalitionspartner verlangen Ministerposten und politische Zugeständnisse, um ihre Klientel zufriedenzustellen. In der Vergangenheit hat sich schon oft gezeigt, dass unter diesen politischen Bedingungen Reformen wie der Abbau von Subventionen fast unmöglich sind. Was bleibt, sind ein paar Millionen verwirrte und verärgerte Wähler. „Stell dir vor, du wählst die Onkels vom INC, weil du eher konservativ eingestellt bist, ihre Nehru-Schiffchen 3 toll findest und die BJP nicht ausstehen kannst“, erklärt mir Vimal die Situation bei der Wahl 2004. „Und kaum sind die Stimmen ausgezählt, lässt sich die Italienerin“, Vimal rollt die Augen, als er Sonia Gandhi, die Witwe des früheren Premierministers Rajiv erwähnt, „und dieser Haufen von Parteikadern, der sich Nationalkongress nennt, von den Kommunisten unterstützen. But at least, ev'rybody now knows shine in India doesn't matter“, lacht Vimal – immerhin ist jetzt klar, dass in Indien der schöne Schein nicht alles ist. Die BJP, von 1999 bis 2004 die Anführerin einer konservativen Hindu-Regierungskoalition, hatte mit dem Wahlslogan „India Shining“ ein echtes Eigentor geschossen. Für ihre Wähler, viele darunter aus den ärmsten Bevölkerungsschichten, klang es wie Hohn, als die „Volkspartei“ in ihrer Kampagne ein Bild eines strahlenden Landes zeichnete. Die Wirklichkeit zeigte dem Wahlvolk jeden Tag Wasserknappheit, marode Straßen und Massenarmut. Entgegen aller Prognosen wurde die BJP abgewählt.
    Die Kommunisten, die den Nationalkongress in der letzten Legislaturperiode die Rückkehr zur Macht ermöglichten, sind nicht mit der Militia der Naxaliten zu verwechseln, die mit ihren Anschlägen Wahlen zu stören versuchen. Zu den kommunistischen Vereinigungen Indiens gehört die älteste Partei Indiens, die CPI. Geht man nach der Zahl der Sitze im Parlament, ist sie ein politischer Zwerg, doch vor allem im Süden und Osten prägen Kommunisten seit Jahrzehnten die Politik. Im Laufe der Jahrzehnte haben die meisten der Parteien, zumindest auf nationaler Ebene, ihre revolutionären Züge abgelegt. Für den wiederkehrenden Erfolg der Kommunisten in Kerala gibt es verschiedene Erklärungen: Eine recht schlüssige ist, dass viele Wähler im Süden Vorbehalte gegen die großen Parteien haben, weil diese den Ruf haben, nordindisch geprägt und von hindisprachigen Kreisen dominiert zu sein. Außerdem leben in Kerala, das ein wunderschöner, landwirtschaftlich geprägter, aber bitterarmer Teil der indischen Republik ist, viele Arme, bei denen kommunistische Parolen gut ankommen. Übrigens bleibt es nicht bei Parolen: Kerala hat mit über 90 Prozent die höchste Alphabetisierungsrate des Landes. Noch bemerkenswerter ist, dass die Zahl der Frauen, die lesen und schreiben können, fast so hoch ist wie die der alphabetisierten Männer. Allerdings hängt dies nicht nur mit den Bildungsprogrammen der Politik zusammen, sondern auch mit den Schulen der katholischen Kirche, die in Kerala stark vertreten ist. Für eine Pressemeldung ist die CPI zumindest immer gut: So tauchen die indischen Kommunisten auch in unseren Nachrichten auf, wenn sie sich für die Nutzung frei zugänglicher Software und gegen Monopolisten wie Microsoft starkmachen oder wenn sie den Verkauf von Generika unter Missachtung teurer Patentrechte von internationalen Pharmaunternehmen befürworten. Derzeit treten die Kommunisten als Teil der „Dritten Front“ – so der selbst gewählte Spitzname der Oppositionellen – in der indischen Politik auf. Das Bündnis versucht, sich gegen das der BJP und die
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