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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Autoren: Kim Stanley Robinson
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mehr Metalle schicken?« fragte Ann. »Brauchen sie diese wirklich?«
    »Wir könnten... Leute nehmen. Das könnte helfen.«
    Ann schüttelte den Kopf. »Wir könnten nie genug aufnehmen.«
    Er runzelte die Stirn. Nadia merkte, daß man ihr nicht zuhörte, und kehrte an den Tisch zurück. Sax und Ann verstummten.
    Man stritt endlos weiter. Keine Partei war zu Kompromissen bereit, und es kam nie etwas zustande. Man diskutierte mit den gleichen Worten für unterschiedliche Dinge, und nur selten sprach überhaupt einer mit dem anderen. Früher war es anders gewesen, vor sehr langer Zeit, als sie in der gleichen Sprache diskutiert und einander verstanden hatten. Aber das war so lange her, daß Ann sich nicht einmal erinnern konnte, wann genau das gewesen war. In Antarctica? Irgendwo. Aber nicht auf dem Mars.
    »Du weißt«, sagte Sax in gesprächsmäßigem Ton, wiederum sehr Sax-unähnlich, aber auf andere Art, »es war nicht die Rote Miliz, welche die Übergangsbehörde veranlaßt hat, Burroughs und den Rest des Planeten zu evakuieren. Wenn Guerilleros der einzige Faktor gewesen wären, dann wären die Terraner auf uns losgegangen und hätten wohl Erfolg haben können. Aber die Massendemonstrationen in den Kuppeln machten es deutlich, daß fast jeder auf dem Planeten gegen sie war. Das ist es, was Regierungen am meisten fürchten: Massenproteste in den Städten. Hunderttausende von Menschen, die auf die Straßen gehen, um das herrschende System abzusetzen. Das ist es, was Nirgal meint, wenn er sagt, daß politische Macht aus dem Blick in den Augen der Menschen erwächst. Und nicht aus Gewehrmündungen.«
    »Und?« fragte Ann.
    Sax zeigte auf das Volk im Lagerhaus. »Das sind alles Grüne.« Die anderen debattierten weiter. Sax beobachtete Ann wie einen exotischen Vogel.
    Ann stand auf, verließ die Versammlung und ging in die seltsam ruhigen Straßen von Ost-Pavonis hinaus. Da und dort hatten Banden der Miliz Posten an Straßenkreuzungen bezogen, die ihren Blick nach Süden richteten, nach Sheffield und dem Kabelterminal. Glückliche, hoffnungsvolle, ernsthafte junge Eingeborene. An einer Ecke war eine Gruppe in lebhafter Diskussion; und als Ann vorbeikam, schrie eine junge Frau mit verzerrtem Gesicht: »Ihr könnt doch nicht einfach tun, was ihr wollt!«
    Ann ging weiter. Währenddessen fühlte sie sich immer mehr und mehr unbehaglich, ohne zu wissen, weshalb. So ist es, wenn Leute sich in kleinen Quantensprüngen verändern, wenn sie ohne Absicht oder Plan von äußeren Ereignissen getroffen werden. Jemand sagt: »Blick im Auge der Menschen«, und zu dieser Phrase gesellt sich plötzlich ein Bild: Ein Gesicht, das vor leidenschaftlicher Überzeugung erglüht und eine andere Phrase: »Ihr könnt doch nicht einfach tun, was Ihr wollt!« Und so hatte sie den Eindruck beim Blick auf das Gesicht dieser jungen Frau, daß es nicht bloß das Geschick des Kabels wäre, über das sie entschieden, nicht bloß: »Sollte das Kabel heruntergeholt werden?«, sondern: »Wie treffen wir Entscheidungen?« Das war die kritische nachrevolutionäre Frage, wichtiger als jedes andere diskutierte Thema, wichtiger selbst als die Frage des Kabels. Bis jetzt hatten die meisten Leute im Untergrund nach der Maxime gehandelt: »Wenn wir mit dir nicht übereinstimmen, werden wir gegen dich kämpfen.« Diese Haltung war es, die Menschen in den Untergrund getrieben hatte, auch Ann. Und wenn man sich an diese Methode gewöhnt hatte, war es schwer, von ihr loszukommen. Schließlich hatten sie ja gerade bewiesen, daß sie funktionierte. Und so bestand die Neigung, sie weiter anzuwenden. Das empfand sie selbst so.
    Aber politische Macht... nimmt man einmal an, sie erwächst aus dem Blick im Auge des Menschen. Man könnte für immer kämpfen; aber wenn die Leute nicht hinter einem standen...
     
    Ann dachte weiter darüber nach, als sie nach Sheffield hinunterfuhr. Sie hatte beschlossen, die Farce der Strategiesitzung am Nachmittag in Ost-Pavonis zu schwänzen. Sie wollte einen Blick in das Zentrum der Aktion werfen.
    Es war seltsam, wie wenig sich im alltäglichen Leben von Sheffield geändert zu haben schien. Die Leute gingen immer noch zur Arbeit, aßen in Restaurants, plauderten auf dem Rasen in den Parks und versammelten sich auf den öffentlichen Plätzen dieser am dichtesten bevölkerten Kuppelstadt. Die Läden und Restaurants waren gedrängt voll. Die meisten Geschäfte in Sheffield hatten den Metanationalen gehört; und jetzt lasen die Leute auf
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