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Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)

Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)

Titel: Markus, glaubst du an den lieben Gott? (German Edition)
Autoren: Markus Majowski
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dürfen trotzdem erfahren, wie es weiterging. Denn wir sind geblieben. Meine Frau, Hund Geunerle, Baby Julius und ich. Wir haben bisher fasziniert – jeder für sich – die Besichtigung genossen und nicken uns zu, als wir uns in die Augen schauen. Diese Wohnung ist es wert, wiederbelebt zu werden. Wir schlagen ein. Die Psychologin ist gerührt und stellt begeistert fest: „Dass Sie überhaupt Zeit haben, sich auf ein derartiges Abenteuer einzulassen, Herr Schauspieler!“ Von wegen! Egal. Sie meint mit Abenteuer die Renovierung – sagen wir lieber Restaurierung. Die Hausherrin sichert uns einen stattlichen Zuschuss für eine Renovierung zu. Schon mal ungewöhnlich. Hat sie ein schlechtes Gewissen? Ein paar Tage später ist der Mietvertrag unterschrieben.
    Das ist also unsere neue Heimat, in der sich erst einmal ein halbes Jahr lang fleißige Handwerker austoben. Die Restaurierung bringt längst Vergessenes zum Vorschein. Unter Tapeten und Putz schlummern alte „Gesellenübungen“: Grafiken und Pinselstriche wie von Meisterhand – und doch nur zur Übung. Unter dem Parkett finden sich Flaschen und Utensilien aus der Jahrhundertwende: Kordeln, Schrauben, Zangen. Und über allem schwebt ein mildes Lächeln. Eine wirklich spannende Baustelle. Das Herzstück der Umbauarbeiten bildet eine von mir gewünschte und entworfene Elektroanlage. Und darin befindet sich ein internes Kabelnetzwerk, welches uns unabhängig von WLAN ins Internet gleiten lässt.
    Als jedoch alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, beginnen die Lampen zu flackern. Ein Kleinod von Wohnung ist entstanden, in dem man sich wohlfühlt. Die Atmosphäre lässt Gäste beim Betreten der Räume im ersten Moment verzaubert seufzen. Nicht, weil es so schön oder luxuriös wäre, sondern weil der Uhu wirkt. Das ist nicht unser Verdienst. Es geschieht einfach. Die Lampen flackern. Wir haben komplett neue Stromleitungen verlegt, der Sicherungskasten und die Netzwerkkonfiguration sind top. Doch pünktlich vor und während der Nachrichten flackern die Lampen. Dazu kommt noch ein Brummen in den Heizungsrohren, dass wir meinen, eine Dampflock stehe im Leerlauf und mit verstopftem Kessel unter dem Haus. Ein Vierteljahr geht das so. Es fühlt sich einerseits wie eine Art Energiestau an und andererseits wie ein unentwegter unterirdischer Mahnruf oder zumindest ein Ruf nach Aufmerksamkeit. Neunzehn Uhr, und das Konzert der Rohre und Leuchtkörper bricht los. Die Hausverwaltung wird informiert. Der Elektriker kommt wiederholt ins Haus, misst hier und da und schüttelt den Kopf. Er kommt am Abend exakt zur fraglichen Zeit. Aber egal, wie lange er bleibt: kein Flackern. Und keine Geräusche. Der Elektriker verabschiedet sich, hält uns für närrisch. Kaum ist er auf der Straße, flackern die Lampen. Und es brummt. Gut, das Brummen verschwindet eines Tages, als sich die Hausverwaltung bequemt, einen Heizungsfachmann vorbeizuschicken. Endlich wird das Fernwärmesystem im Keller überprüft. Es stellt sich heraus, dass es kurz vor dem Zusammenbruch steht. Veraltet, schlecht gewartet, gefährlich. Der Fachmann murmelt etwas von „Schwein gehabt“ und „Gut, dass sie sich gerührt haben!“ Haben wir gar nicht. Der Uhu war es. Gott sei Dank. Und als Gegenleistung heiße ich das Lampenflackern jetzt allabendlich herzlich willkommen. Gäste, die unser Hausgeist mit Wohlwollen aufnimmt, bekommen ein langsames Flackern als Resonanz, kaum dass sie eine Weile auf dem Sofa sitzen. Nicht so gute Strömungen werden mit schnellem Flackern quittiert. Keine Meinung zu einem Gast: kein Flackern. Lieber Gott, bitte beschütze meinen Hausgeist und schenke ihm Zuversicht und Liebe! Und bitte beschütze meine Familie!
    Apropos Familie. Es ist der fünfzehnte Februar 1991, spät in der Nacht. Mein Vater hält meine Hand und atmet das letze Mal ein und aus. Ich bin bei ihm, und ich kann Vater einen kleinen Hoffnungsschimmer schenken: Ich habe ein neues Engagement in Aussicht und bin erleichtert, ihm davon erzählen zu können. Er ist immer voller Interesse für mein berufliches Vorankommen. Seine Hand in meiner Hand. Er kann nicht mehr sprechen, die Augen sind geschlossen. Er nickt kaum spürbar. Erleichterung – er atmet noch einmal tief ein und wieder aus. Dann Stille. Das ist der Abschied zwischen ihm und mir.
    Am Abend sitzt unsere Familie beisammen. Wir sprechen intensiv über ihn. Plötzlich ist es stockfinster. Stromausfall? Ich weiß, wo ich die Taschenlampe finde, gehe zum
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