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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben
Autoren: N Förg
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eine super Werbung. Wenn da im
Abspann dann steht: ›Wir danken den Ammergauer Alpen und der lieben Dr. Johanna
Kennerknecht.‹ Nun danken die Peiting und dem Pfaffenwinkel.« Evi war heute so
richtig gut drauf.
    »Sollen sie, sollen sie. Ich verzichte auf diese Ehre, ich habe
wegen der Passion genug am Hals, glaub mir. Da brauch ich nicht auch noch ein
wild gewordenes Filmteam. Allmächt, wie man bei dir sagen würde.« Jo drückte
Evi zwei Küsschen auf die Wange, und weg war sie.

ZWEI
    Was geschah? Der Stein trat aus dem Berge.
    Wer erwachte?
    Gerhard fuhr aus dem Schlaf hoch, er brauchte ein paar Sekunden, um
die Stimme zu erkennen, die sagte: »Er sitzt im Foyer der Raiba, auf geht’s,
Weinzirl. Sie sind gefragt.«
    Das war die Stimme von Baier, von seinem alten Kollegen und
Vorgänger. Menschenskind, der gute Baier, wie oft hatte er ihn besuchen und in
Baiers Hobbykeller mal wieder Bier und kubanischen Rum verkosten wollen. Aber
er kam ja nicht mal dazu, Kontakte zu seinen engsten Freunden zu pflegen, sogar
seine Vermieter nebenan sah er oft tagelang nicht.
    »Baier, altes Haus! Das freut mich ja.«
    »Schmarrn, Weinzirl. Das freut Sie nicht. Im Foyer, sag ich. Auf,
auf!«
    »Baier …« Gerhard überlegte kurz, ob Baier womöglich senil wurde
oder wunderlich oder beides. Er verwarf den Gedanken aber wieder. Selbst wenn
der Rest der Welt dem Wahnsinn anheimfallen würde, Baier würde seine Klarsicht
bewahren. Und sein brummiges Auftreten, hinter dem sich ein brillanter
Beobachter und Kriminalist verbarg. »Baier«, hob er erneut an, »wer sitzt in
welchem Foyer? Welcher Raiba?«
    »Na, der Tote. Er sitzt in Peiting im Foyer der Raiffeisenbank. Sind
Sie besoffen? Oder noch nicht wach? Jetzt schwingen Sie die Hufe.«
    Zweierlei irritierte Gerhard: Baier sprach in ganzen Sätzen, was er
selten tat, und »Schwingen Sie die Hufe« war so gar nicht sein Jargon.
    Gerhard sah auf die Uhr. Baier war ein Witzbold. Es war sechs, es
war ja noch nicht mal richtig Tag. Außerdem war Sonntag. War das eine Zeit für
Tote? Und was hatte Baier damit zu tun? Er nahm einfach mal an, dass Baier zwar
nicht dem Wahnsinn anheimgefallen war, aber doch an seniler Bettflucht litt.
Denn wenn da einer tot war, würde der kaum töter werden. Gerhard hatte keine
Lust, wie ein Fernsehkommissar zu den unmöglichsten Zeiten durch die Nacht zu
pilgern. Auch er hatte so was wie Dienstzeiten.
    Er sammelte sich langsam. Schwang die Beine zur Seite, während er
versuchte, gleichzeitig das Handy festzuhalten. Es entglitt ihm. Er wand sich
aus dem Bett; er war in dem Alter, wo der morgendliche Kreuzschmerz einen zu
seltsamen Krabbeleien zwang, wo man seitwärts-auswärts robbte, weil das Kreuz
energetisches Aufspringen sofort mit Höllenschmerz quittierte. Gut, er wollte
sich schon länger mal ‘ne bessere Matratze kaufen; der uralte Futon, den er nie
aufrollte, war ein Bandscheibenkiller. Er fummelte nach dem Handy, aus dem
Baier plärrte.
    »Weinzirl? Weinzirl, sind Sie verstorben?«
    »Nein, ich komm ja schon.«
    »Gut, in zwanzig Minuten.«
    Baier war ein Witzbold! Sollte er fliegen? Gerhard unterließ alle weiteren
Fragen. Was Baier da eigentlich zu suchen habe. Ob denn keine Kollegen vor Ort
seien. Was ein Toter in einer Bank mache. Das würde sich später klären, einen
Baier ließ man nicht warten. Früher nicht und heute auch nicht. Gerhard
schöpfte sich kaltes Wasser ins Gesicht, zog Jeans und T-Shirt an, stürzte
zurück ins Bad, wo er schnell noch mit dem Deostick unter dem T-Shirt
rumfuhrwerkte. Er griff sich eine Jacke und stolperte über Seppi, der ihn
verschlafen ansah. Sein Blick war unmissverständlich: Spinnst du, weißt du, wie
spät es ist?
    »Kumpel, ich weiß, du brauchst deinen Schönheitsschlaf, kannst du
nachher selber aufs Klo gehen?«
    Wieder ein Mitleidsblick, der besagte: Ich bin schon groß, ich kann
allein Pipi.
    »Guter Bursche!« Gerhard stürzte über die Terrasse nach draußen.
Seppi hob kurz den Kopf und sank dann mit einem Grunzen in sich zusammen.
    Gerhard grinste. Mit diesem Hund hatte er das große Los gezogen.
Seppi, eigentlich Sir Sebastian, war kein Kleber, der nicht allein bleiben
konnte. Im Gegenteil: Der Irish-Wolfhound-Rüde war ein unabhängiger Geist, der
gerne mal allein auf der Terrasse saß und ins Land einiblickte. Er spielte auch
begeistert mit dem Hund der Vermieter, drehte seine Runden in deren schier
endlosem Areal und hatte keinerlei Ambitionen, zu jagen. Es war eher so, als
schreite
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