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Markttreiben

Markttreiben

Titel: Markttreiben
Autoren: N Förg
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Begegnung mit dem
Oberland und seinen neuen Kollegen gewesen. Sein erster Fall, und in der
Rückschau war das sein liebster gewesen. Wenn man bei Mord und Totschlag
überhaupt Wertungen abgeben konnte. Aber vor vier Jahren hatte er Baier
schätzen gelernt und den Mann leider an dessen Rentnerdasein verloren. Baier
fehlte ihm, das traf ihn für den Moment wie ein Hammerschlag. Weil er seit
Baiers Weggang einfach von zu vielen Weibern umgeben war, weil er keinen zum
gemeinsamen Schweigen hatte. Generell waren ihm tote Männer lieber, tote Frauen
oder gar tote Kinder erschütterten sein sonst relativ unerschütterliches Gemüt.
Der hier war eindeutig ein Mann, ein übergewichtiger, gewamperter Typ, den der
Erstickungstod ziemlich entstellt hatte. Allerdings wäre er ohne das
Aufgedunsene wohl auch keine Schönheit gewesen.
    Gerhard richtete sich auf.
    »Okay, Baier, dieser Kamerad hier ist tot. Derwürgt, ohne Zweifel.
Was macht er hier? Was machen Sie hier? Was haben Sie damit zu tun?«
    »Erste Frage: Er war der Wächter. Zweite Frage: Der Winnie hat mich
geholt. Dritte Frage: Ich bin überall, wo ich gebraucht werde.« Er lachte
trocken auf.
    Gerhard atmete tief durch. Es war kurz vor sieben Uhr. Da hing ein
Trachtler mit vollgekotzten Hosenträgern über einem Bierkasten, eine Marke, die
Gerhard überdies für unwürdig hielt. Davon musste einem schlecht werden, aber
gleich sterben? Ein erwürgter Trachtler in einer Landraiffeisenbank, und der
war ein Wächter gewesen? Er hatte gestern – seit langer Zeit mal wieder – mit
Hajo, seinem Vermieter, gepflegt getrunken. Gepflegte italienische Weine,
eventuell war eine der letzten Flaschen schlecht gewesen, aber so übel fühlte
er sich eigentlich gar nicht. Wächter, Winnie, Baier?

DREI
    Einen Tod mehr als du
    bin ich gestorben,
    ja, einen mehr.
    »Baier, auch auf die Gefahr hin, als begriffsstutzig zu gelten, ich
bräuchte einen Kaffee und dann eine langsame, wohlformulierte Erklärung, die mein
Hirn begreifen kann.« Gerhard fühlte sich schrecklich.
    Baier schnippte zur Tür, und jemand von den Schongauer Kollegen
reichte ihm eine Thermosflasche. Baier goss etwas in den Deckelbecher und
reichte das Gefäß Gerhard. »Los.« Gerhard schluckte gehorsam, Baier beobachtete
ihn streng, so wie seine Mutter weiland, als er Multi Sanostol hatte trinken
müssen. Dabei hatte er nie so aussehen wollen wie der blonde Bub und schon gar
nicht wie das Mädchen mit Prinz-Eisenherz-Ponyfransen und Pagenschnitt, das am
Löffel rumgelutscht hatte. Die Kinder auf den Packungen, sie hatten sich in
sein Gehirn gebrannt. Er schluckte nun artig – weder Lebertran noch Vitamine,
sondern Kaffee –, und als er absetzte, füllte Baier den Becher erneut. Gerhard
trank auch den aus: schwarz, bitter, greißlich und die Lebensgeister weckend.
    Sein Blick schweifte erneut über die Wand, wo Immobilien angeboten
wurden. Er blieb an einem Objekt hängen, einem Haus inmitten struppigen Grases,
das aussah wie ein übrig gebliebener Schuppen in einer Industriebrache. Die
Beschreibung besagte, dass man hier viel Gestaltungsspielraum habe. Na merci,
dachte Gerhard. Immobilienmakler – auch ein toller Job. Dann wandte er sich
wieder Baier zu.
    »Der Wächter? Winnie und die starken Männer? Sagen Sie an, Baier, in
welchem Film sind wir hier gelandet?« Irgendwie war ihm gerade etwas albern
zumute. Konnte auch an dem Kaffee liegen.
    »Mit Film liegen Sie richtig, Weinzirl. In Peiting dreht irgendwo
eine Gesellschaft für SAT .1 ‘nen
Film. Müde Handlung, aber egal. Und die Kameras der Crew wurden über Nacht von
unserem Freund hier bewacht sowie von Winnie, der sich kurzzeitig absentiert
hatte. Als er zurückkam, waren die Kameras weg und unser Freund tot.« Baier
sprach leidenschaftslos.
    »Und da Sie Winnie-wen-auch-immer kennen, wissen Sie auch, wer unser
Freund da ist?«
    »Sicher. Leo, Leonhard Lang.«
    Sicher … Das hatte Gerhard vermisst: Baiers unerschütterliches
Gemüt. Seine Emotionslosigkeit. Das leise Unverständnis seiner Umgebung
gegenüber, die ihm selten folgen konnte. Die etwas lautere Unwirschheit, die
dann folgte, weil die Umgebung ihm wirklich nicht folgen konnte. Aber Baier
schien gleichsam eine Läuterung durchgemacht zu haben. Denn er verstieg sich zu
weiteren Erklärungen.
    »Winnie Jörg ist der Sohn meiner Nachbarn. Er weiß, dass ich mal
Polizist war, und wusste sich keinen andern Rat. Leonhard Lang ist ein Kumpel
von ihm, beide beim Burschenverein, wiewohl Lang deutlich
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