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Mark

Mark

Titel: Mark
Autoren: Celia Jansson
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keine
Lust, ihn zu sehen.“ Daniel seufzte. Sie hatte ja recht. Es war jetzt alles
schon so lange her und eigentlich albern, dass er sich darüber Gedanken machte.
Er war schon zu keinem Klassentreffen gekommen, nur um ihn nicht sehen
zu müssen.
    Er wandte sich um, und da war er , unterhielt
sich mit Arne und Max. Ganz kurz nur war Daniels Blick über ihn
hinweggeglitten. Eine Sekunde, die ausreichte, um zu registrieren, dass er sich
nicht viel verändert hatte, abgesehen vom Bart, der ihm gut stand. Er trug eine
Lederjacke, die Haare etwas länger als früher. Mark hatte ihn noch nicht
bemerkt und das war Daniel nur recht. Er hatte es überlebt, ihn zu sehen, er
hatte nicht einmal Herzrasen bekommen. Aber er war sich nicht sicher, was
passieren würde, wenn er ihm direkt in die Augen sah.
    „ Na gut, aber nur kurz. Ich möchte
heute noch zurück nach Berlin.“
    „ Schön.“ Janina hakte sich bei ihm
ein und führte ihn zu dem Restaurant.
    Es waren schon Gruppen eingetroffen, die sich am
Buffet anstellten. „Bringst du mir eine Suppe mit“, bat Janina, und er stellte
sich ebenfalls an. Als er mit zwei Schüsseln zurückkehrte hatten sich andere
aus seiner Tutandengruppe an Janinas Tisch gesetzt. Er begrüßte sie kurz und
rührte in der Suppe. Er musste an die Familie denken, die jetzt irgendwo anders
zusammensaß. Seine eigenen Eltern waren auch schon um die sechzig, wie ihm
plötzlich bewusst wurde. Er hatte sie länger nicht mehr gesehen. Im Moment waren
sie im Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff, sonst hätte er sie besucht.
    „ Arbeitest du eigentlich wieder?“,
wandte er sich an Janina, um sich von diesen Gedanken abzubringen.
    „ Ja, Teilzeit. Meine Tochter braucht
immer noch sehr viel Aufmerksamkeit. Stefan und ich werden uns wahrscheinlich
scheiden lassen.“
    „ Was? Ehrlich?“ Das überraschte ihn
wirklich.
    „ Ja, so sieht es aus. Er hat mich
betrogen. Ich weiß, dass du ihn nie mochtest.“
    „ Es tut mir trotzdem leid für dich.“
    „ Nun, es ist nur so schwierig, dass
die Kinder das alles mitkriegen müssen.“ Sie verzog den Mund, ihr war
anzusehen, dass sie viel durchmachen musste.
     „ Und was ist mit dir? Bist du noch
mit Jakob zusammen?“, fragte sie.
    „ Nein, nicht mehr.“
    „ Single sein ist auch mal ganz
schön. Ich wusste ja schon gar nicht mehr, wie das ist.“
    Jemand setzte sich ihm gegenüber. Auch ohne
aufzusehen, wusste er, dass es Mark war. Er spürte seine Blicke auf sich und
wagte erst hochzusehen, als er hörte, wie er sich mit Georg unterhielt. Diesmal
ließ Daniel seinen Blick etwas länger auf Mark ruhen. Sein kurzer Bart war
ebenso schwarz wie seine Haare. Seine Figur war kräftiger, als er sie in
Erinnerung hatte. Daniel wandte sich wieder an Janina und versuchte, seinen
pochenden Herzschlag zu ignorieren. Es war so albern, dass er überhaupt noch
daran dachte.
    Nachdem er noch mit einigen Mitschülern gesprochen
hatte, die offenbar vergessen hatten, dass sie ihn damals gar nicht gemocht
hatten, erhob er sich. „Ich muss jetzt wirklich los. Es war schön, dich
wiederzusehen“, verabschiedete er sich von Janina und danach auch so kurz wie
möglich von den anderen. Als er zurücksah, blickte er doch noch in Marks dunkle
Augen, sein Blick war durchdringend und voller Fragen.
     
    Als er nach draußen trat, war es deutlich kühler
geworden. Er zog den Kragen seines Mantels hoch und überquerte die Straße. In
diesem winzigen Ort gab es nicht einmal einen Bahnhof, so dass er erst mit
dem Bus fahren musste – und der fuhr erst wieder in einer halben Stunde, wie er
dem Plan entnahm. Seufzend sah er sich um, nach etwas suchend, was er so lange
tun könnte. Es war, als würde der Friedhof ihn auffordern näher zu kommen und
ihn noch einmal zu betreten. Er folgte dem sandigen Hauptweg zurück zu Herrn
Mücks Grab. Es war seltsam, noch war es gar kein Grab, nur ein Fleck Erde. Oder
ruhten da unten vielleicht noch die Gebeine eines Menschen, der schon so lange
lag, dass sich niemand mehr an ihn erinnerte, so dass es nun in Ordnung war,
dort eine neue Person zu begraben?
    Er sah Herrn Mück vor sich, wie er ihnen in der
letzten Schulwoche selbst gebrannten Schnaps ausgab und wie er ihn ermutigt
hatte, wieder zur Schule zu gehen, als er mit fünfzehn gar keine Lust dazu
gehabt hatte.
    „ Auf Wiedersehen, Herr Mück“,
flüsterte er. Dann wurde ihm bewusst, dass dieser Ausdruck nicht besonders
passend war. Plötzlich holte ihn der Klang von unter Füßen
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