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Mark

Mark

Titel: Mark
Autoren: Celia Jansson
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zu seinen Eltern, die schon im
Auto warteten.
     
     
    Daniel saß auf seiner Fensterbank und beobachtete
die alte Frau Krämer, die sich in ihrer Kittelschürze bei den Nachbarn über
irgendetwas beschwerte. Er hatte sich eine Zigarette angesteckt und genoss die
kühle Abendluft.
    Sein Telefon klingelte, und er stürzte zum
Schreibtisch, um ranzugehen.
    „ Hallo?“
    „ Hallo“, antwortete Mark und dann
schwiegen sie beide.
    „ Hast du schon die Nachbarschaft
kennengelernt?“, fragte Daniel schließlich.
    „ Ja, den Supermarkt, die Post, wir
haben deine Mutter getroffen, und sie hat uns erklärt, wo hier alles ist.“ Das
konnte Daniel sich bildlich vorstellen. „Die Nachbarn gegenüber haben einen
krassen Vorgarten.“
    Daniel lachte. „Ja, nicht zu überbieten.“ Er blickte
auf Massen von Gartenzwergen, Statuen und Plastikblumen.
    „ Wer ist die Frau da unten?“
    „ Das ist Frau Krämer, sie wohnt drei
Häuser weiter, sie hat nichts anderes zu tun, als die Nachbarn zu beobachten
und ihre Rundgänge zu machen. Sie beschwert sich über jedes herumliegende Blatt
oder falsch geparkte Auto. Als ich klein war hat, sie mich mal mit einem Besen
gejagt, weil ich mit Kreide auf die Straße gemalt habe.“
    „ Echt?“
    Es war seltsam, einfach so mit Mark zu reden, obwohl
er ihn kaum kannte, am Telefon war es sogar einfacher.
    Mark wollte alles über die Schule, die Mitschüler
und die Lehrer wissen. Über die Lehrer berichtete Daniel ihm ausführlich, die
Mitschüler erwähnte er nur kurz, sollte Mark sich von ihnen selbst ein Bild
machen. Max und Arne hassten ihn, und er hasste sie. Er hatte keine Lust, an
sie zu denken. Als er den sich verdunkelnden Himmel sah, wurde ihm bewusst,
dass sie lange telefoniert hatten, sonst redete er selten so viel auf einmal.
Vielleicht kam es durch die Isolation.
     „ Ist dir nicht sehr
langweilig, wenn du nicht raus darfst?“, fragte Mark.
    „ Ja, eigentlich wollte ich lernen,
aber ich habe keine Lust. Ich möchte irgendwas Künstlerisches machen, da
brauche ich das alles eh nicht.“
    „ Was Künstlerisches? Das kann ich
gar nicht.“
    Damit schien er Mark beeindruckt zu haben. Er
erzählte ihm von den Filmen, die er liebte, und von surrealistischen Künstlern
und wunderte sich selbst, dass er überhaupt keine Hemmungen hatte, so offen von
sich zu erzählen, und dass Mark das alles interessierte.
    Als sie beide vor Müdigkeit gähnten, legten sie auf,
und Daniel vermisste augenblicklich Marks tiefe Stimme. Es war nicht so, dass
er sich in ihn verliebt hatte, nein, er mochte ihn einfach. Und Mark schien ihn
erstaunlicherweise auch zu mögen. Doch er wusste, dass er sich nicht allzu viel
darauf einbilden sollte, er würde sonst nur wieder enttäuscht sein. Spätestens
in der Schule würde Mark seine sexuelle Orientierung erfahren. Er konnte nicht
einschätzen, was er dazu sagen würde. Aber er könnte wirklich einen Freund
gebrauchen. Er hatte nur zwei, und die gingen ihm manchmal auf die Nerven. Sie
kannten sich einfach schon zu gut. Bisher hatte er sich keine weiteren Freunde
gewünscht, er war zufrieden gewesen, so, wie es war, hatte er sich schließlich
selbst zum Außenseiter gemacht. Er konnte sich einfach nicht verstellen und so
tun, als würde er die Prahlereien seiner Mitschüler mit ihren neusten
Markenklamotten, Handys und Eroberungen interessieren, ihre Vorlieben für
schwulenfeindliche Rapper und ihre Abneigung gegen Leute, die anderer Meinung
waren.
    Gut, nicht alle waren so, einige Mädchen, mit denen
Janina befreundet war, waren eigentlich in Ordnung, aber sie waren auch mit Max
und Arne befreundet, und er hatte irgendwann diese Grenze gezogen und beschlossen,
sie alle zu hassen, und seitdem gab es kein Zurück, auch wenn alle mit dem
Alter etwas umgänglicher geworden waren.
    Es war wohl am besten, wenn er nicht mehr an die
Schule dachte, schließlich waren Ferien.
     
    Daniel lag im Bett und starrte an die Decke. Dann
wanderte sein Blick über das Poster von den White Stripes, weiter zu dem
Filmplakat von Vertigo daneben, über seinen unaufgeräumten Kleiderschrank, den
Schreibtisch, auf dem sich Schulhefte und dreckiges Geschirr stapelten, den
Boden, der mit getragenen Kleidungsstücken und einzelnen Schuhen bedeckt war.
Er würde das nicht durchhalten, es waren noch zehn Tage und zehn Nächte, die er
im Haus verbringen sollte, wenn er danach nicht wahnsinnig geworden war,
grenzte das an ein Wunder!
    Es klopfte, das konnte nur seine Schwester sein,
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