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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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psychologische Gutachten bescheinigte Holger eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit. Der durch den frühen Tod der Mutter verursachte Schock habe bleibende Schäden hinterlassen, vor allem psychotisch ausgeprägte Verlassensängste. Holger wurde wegen Totschlags zu sieben Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Aufgrund einer günstigen Prognose war er vorgestern entlassen worden.
    Das Mädchen auf dem Beifahrersitz war blass und sagte nichts. Ihre Augen blickten zur Wagendecke und blinzelten nicht. Die Würgemale am Hals bewegten sich nicht. Sie war tot. Holger wusste nicht genau, warum er durch die Nacht fuhr. Auch wusste er nicht, wo er hinfuhr, hatte aber ein Gefühl, als gehe es irgendwie in Richtung des alten Ahornbaumes.
     
    Martin Wenger machte noch einen Rundgang durch den Speisesaal und überzeugte sich davon, dass die Tischdekoration stimmungsvoll war. Menschen, die Heiligabend in einem Hotel verbrachten, erwarteten ein angemessen festliches Ambiente. Martin tat alles, um den Wunsch seiner Gäste nach weihnachtlicher Erbauung zu erfüllen. Er selbst freilich hatte einen Beruf gewählt, der ihm das Weihnachtsfest vom Hals hielt.
    Martin ging durch die Lobby und begrüßte die Stammgäste, die das Jahresende wie üblich in dem Hotel am Malerwinkel verbrachten. Beim Rezeptionisten erkundigte er sich, ob der BMW gereinigt in der Tiefgarage stehe. Der Rezeptionist sagte, der Wagen sei gereinigt, aber nicht mehr in der Tiefgarage. Martins Bruder sei damit weggefahren, habe der Hausmeister berichtet. Da sich der Bruder in Besitz der Wagenschlüssel befand, sei der Hausmeister davon ausgegangen, dass alles seine Ordnung habe. Ja, das habe es, sagte Martin und ärgerte sich. Denn er hatte Holger eingeschärft, er solle den Wagen nur im Notfall benutzen. Es sei auch noch jemand anders in dem Wagen gesessen, meinte der Portier. Eine Dame, die der Hausmeister aber nicht genau erkennen konnte. Martin bedankte sich und verließ schlechtgelaunt die Rezeption.
    Martins Verstimmung rührte daher, dass er seine Freundin Jenny seit zwei Stunden nicht erreichen konnte. Ihr Handy war ausgeschaltet. Er wollte wissen, wie lange sie heute Abend bei ihren Eltern bleiben würde. Das neue Mädchen aus dem Service kreuzte Martins Weg und grüßte ihn lächelnd. Martin lächelte zurück und drehte sich nach ihr um. Sie wusste, wie man einen Hintern bewegt.
    Martin ärgerte auch, dass sein Bruder ins Hotel gekommen war. Er war vorgestern aus dem Gefängnis entlassen worden und sollte zunächst bei Martin im Haus bleiben und fernsehen, am Computer spielen oder sonst etwas machen, bei dem er nicht mit anderen Menschen in Berührung kam. Martin wollte seinen Bruder langsam wieder in die normale Welt einführen. Wie genau, wusste er noch nicht. In der vorweihnachtlichen Hektik hatte er keine Zeit gehabt, sich etwas zu überlegen. Bis jetzt hatte er Holger weder ins Hotel mitgenommen, noch hatte er ihm Jenny vorgestellt. Möglicherweise hatte Holger das selbst in die Hand genommen. Und das war Martin aus mehreren Gründen unangenehm.
    Er ging in sein Büro und wählte die Nummer des Autotelefons. Es dauerte eine Weile, bis Holger dranging. Er war mit dem Gerät nicht vertraut. »Apparat Martin Wenger.«
    »Hier ist Marty. Du – ich sag’s dir! Ein Kratzer wenn an den Wagen kommt. Wo bist du denn?«
    Holger musste vor einer kleinen Brücke bremsen, weil ein Wagen entgegenkam. Dem Mädchen neben ihm fiel der Kopf auf die Brust. »Ich seh mir ein bisschen die Gegend an.«
    »Welche Gegend?«
    »Moosrain …«
    »Mann! Lass den Quatsch. Du fährst da heute Abend nicht hin.«
    »Mama ist da gestorben. Heute vor neunundzwanzig Jahren. Ich will doch nur ein paar Minuten am Baum stehen.«
    Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden gewesen. Aber es war eben nicht nur Holgers und Martins Mutter, mit deren Gedenken der Baum verbunden war. »Hör zu, Holger, ich will nicht drum herumreden. Es geht nicht nur um Mama, okay? Wir beide wissen, dass an diesem Baum noch mehr passiert ist.«
    »Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?«
    »Keine Ahnung, das weißt du am besten.«
    Holger schwieg.
    »Ich mach mir einfach Sorgen, dass du das nicht verkraftest. Die Ärzte haben gesagt, du bist psychisch immer noch nicht ganz stabil.«
    »Ja, ja. Vielleicht fahr ich auch nicht hin.«
    »Lass es, versprochen?«
    Holger gab einen unartikulierten Laut von sich, den Martin als Zustimmung deutete.
    »Mal was anderes. Du warst im
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