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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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liebe Gott. Oder du. Oder du, Bremser. Ausgebremst. Ich muss jetzt nachdenken.«
    Er verstummte, und der Wirt und die beiden Männer am Fenster überlegten, ob Jeckel tatsächlich nachdachte oder nur so tat. Für sie machte das keinen Unterschied, da ihnen egal war, was dabei herauskam.
    Nach einigen Minuten, in denen ein adventliches Schweigen den Postgarten erfüllte, glitt Jeckel vom Barhocker, verrückte ihn ein paar Zentimeter erst zur einen, dann zur anderen Seite und stützte beide Hände auf die Sitzfläche. »Ich fühle mich wie neugeboren«, sagte er zum Wirt, zu den Gläsern im Regal, zu seinem halbvollen Weißbierglas. »Und wenn ich genau nachdenk, fühle ich mich eigentlich wie überhaupt erst geboren. Nicht schlecht. Wie spät? Haufen Zeit schon wieder vergangen, das zermürbt einen. Hab ich zu meinem Vater gesagt: Rackerei zeitlebens, und die Zeit vergeht ohne dich. Hat er nicht verstanden. Meine Mutter saß mit am Tisch, schmierte sich ein Brot mit Marmelade, du kennst sie ja, sie kocht die Marmelade selber ein, seit meiner Kindheit geht das so, Brombeer, Himbeer, Erdbeer, die ganze Palette. Ich hasse Marmeladenbrote. Dann kam Paul, zu spät, hatte Streit mit seiner Birgit wegen der Kinder, der übliche Kram. Meine Mutter war selig, als die Familie wieder vereint am Tisch saß, Adventsfrühstück, selig sind die Adventsfrühstücker. Sehr wichtige Gespräche. Essen an Heiligabend, Würstel mit Kartoffelsalat, Gans am ersten Feiertag, völlig überraschend. Gegen das Blaukraut meiner Mutter kannst du nichts sagen, das sag ich dir, nichts kannst du sagen, also sag auch nichts. Mein Bruder rauchte, meine Mutter schnorrte eine, Ritual. Paul ging aufs Klo. Ich wartete, bis ich hörte, wie er die Tür verriegelte, dann nahm ich den vollen Aschenbecher, und die Kippen rieselten auf den schönen Teppichboden. So war das, mein Freund, schöne Sauerei alles in allem.«
    Hardy sagte: »Wie geht’s eigentlich der Miriam?« Den Satz hatte er für fast jeden seiner Stammgäste parat, der Wortlaut war jedes Mal der gleiche, bis auf den Namen der Frau, den wechselte er aus, damit keine Unstimmigkeiten aufkamen.
    »Zu der geh ich jetzt«, sagte Jeckel. »Wir haben nichts mehr miteinander, aber manchmal kocht sie was, einen Braten, Hähnchen, sehr angenehm. Ideal für meine Verhältnisse. Ich zahl dann mal, wenn’s dir keine Umstände macht.«
    »Einundzwanzig siebzig«, sagte Hardy ungezwungen.
     
    Wie die Kripo rekonstruierte, schlug Carl Jeckel zuerst zwei Mal mit dem schweren Kristallaschenbecher auf seine Mutter ein, dann ebenfalls zwei Mal auf seinen Vater, und als Paul Jeckel aus dem Badezimmer kam, zertrümmerte er ihm mit zwei gezielten Schlägen den Schädel. Seinen Vater erdrosselte Carl Jeckel daraufhin mit dem Telefonkabel, und als seine Mutter aus dem Zimmer kriechen wollte, auch sie mit einem Verlängerungskabel, das zum Fernseher führte. Als der Erste Kriminalhauptkommissar Peters ihn fragte, warum er das getan habe, sagte Carl Jeckel. »Das musste jetzt mal sein.«
    Am vierundzwanzigsten Dezember schneite es dann doch noch im oberbayerischen Maibach.

Autorenvita
    Friedrich Ani, geboren 1959 , lebt in München. Er schreibt Romane, Gedichte, Jugendbücher, Hörspiele und Drehbücher (u.a.
Tatort, Rosa Roth, Kommissarin Lucas
). Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
    Als bisher einziger Autor erhielt er den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei »Süden«-Romane gleichzeitig.
    Sein 2011 erschienener Roman
Süden
stand wochenlang auf Platz 1 der Krimibestenliste in der ZEIT .

[home]
    Andreas Föhr
    Die stille Nacht
    Im Voralpenland
    1 . AKT
    Die Limousine fuhr durch die Heilige Nacht und den Föhnsturm, der an diesem Abend durchs Voralpenland fegte. Der Mann am Steuer hieß Holger Wenger. Er war achtunddreißig Jahre alt, seine Züge weich, die Wangen unrasiert, die Augen von dunklen Schatten umrandet. Vor neunundzwanzig Jahren war Holgers Mutter in der Weihnachtsnacht mit ihrem Wagen gegen den zweihundert Jahre alten Ahornbaum gerast, der zwischen Moosrain und Hauserdörfl am Straßenrand stand. Die Polizei ging von Selbstmord aus. Vor neun Jahren erdrosselte Holger seine Freundin Sabine, nachdem er herausgefunden hatte, dass sie ihn betrog. Nach der Tat fuhr er zu dem Ahornbaum, an dem Holgers Mutter ihrem Leben ein Ende gesetzt hatte, und vergrub die Leiche dort. Der Hund eines Spaziergängers entdeckte die Tote noch am gleichen Tag. Das
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