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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen
Autoren: Michelle Stöger
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wird sich für die beiden lohnen. Und ich bin weg. Er fragt mich, was ich vorhabe, und ich sage: Berlin. Schaut er mich dermaßen blöde an, dass ich dachte, er brunzt gleich aus der Nase. Berlin. Als hätte ich einen Fluch ausgesprochen, verstehst du? Was ist schlimm an Berlin? Ich geh in die Hauptstadt, sage ich zu ihm, und dann schauen wir mal. Er fragt mich, ob ich spinne, ich sag zu ihm: ›Wenn hier einer spinnt, dann du, und zwar seit der Kindheit.‹ Er wurde langsam wütend. Erinnerst du dich? Da hinten saß er, an der Wand, mit dem Gesicht zu dir, sensationell verwirrt. Auf meinem Konto sind achtunddreißigtausend Euro, die haben sich angesammelt im Lauf der Jahrhunderte, die ich jetzt hier leb. Die reichen eine Zeitlang, was meinst du? In Berlin kann man billig durch den Alltag kommen, davon hat der Gärtner natürlich keine Ahnung, dem mangelt’s vollständig an Vorstellungskraft. Der Paul hat die Phantasie eines Aschenbechers. Das weißt du so gut wie ich. Der Paul hat seine Birgit zu Haus sitzen, die kocht und hält das Haus in Ordnung, und seine zwei Buben schreiben gute Noten und fahren Ski im Winter und gehen im Sommer tauchen, oben im Kolbsee. Mehr braucht er sich nicht vorzustellen. Sagt er zu mir, was das werden soll mit dem Weggehen, ich hätte ja schon als Polizist auf ganzer Linie versagt. So reden die über mich, seit jeher. Ich hab damals aber nicht versagt, das weißt du so gut wie ich. Ich war auf Streife, und wir fuhren ganz Bad Hochstädt ab, die Einkaufsstraßen, wegen der Einbrüche in letzter Zeit, und da ist plötzlich ein Lichtschein in der Jugendherberge, obwohl die eigentlich geschlossen war, und ich sag zum Haberl Werner, wir müssen rein, nachsehen, der Werner zögert noch, da knallt ein Schuss, wir aus dem Wagen, vorsichtig näher ans Objekt, wieder ein Schuss, wieder ein Lichtschein, unübersichtliche Situation, war doch alles nicht abzuschätzen, Sepp-da-Depp, was hätt ich machen sollen? Hätt ich warten sollen, bis der einen von uns abknallt? Kein Mensch wusste, was der für eine Waffe im Dunkeln auf uns richtet, es war Mitternacht, oder etwa nicht? War das vielleicht taghell? War da was zu sehen? Sag was. War da was zu erkennen in dem Haus? Nichts. Dann taucht das Gesicht hinter dem Fenster auf, und der Schein der Taschenlampe leuchtet, und ich seh die Pistole und dann? Was hättst du denn getan? Was hättst denn du getan, Bremser? Und du, Fuchsi? Ihr hättet alle dasselbe getan wie ich. Geschossen. Was denn sonst? Notwehr. Im Dunkeln. Der Einbrecher richtete eine Waffe auf uns, den Haberl und mich. Ein Schuss. Hinterher schreiben die Journalisten, ich hätt das realisieren müssen, dass der Junge bloß eine Schreckschusspistole hatte, das hätt ich hören müssen, ich hätt das merken müssen, dass nirgends eine Kugel einschlägt. Dass der bloß blufft. Hinterher haben alle Augen im Dunkeln und sehen alles und wissen alles und sind clever, wie mein Bruder. Auf der ganzen Linie versagt. Stimmt. Er hat recht. Die haben doch recht seit jeher, findest du nicht? Ich find schon. Rechter hat kein Mensch. Keine Anklage, klare Notwehrsituation. Die haben demonstriert in Bad Hochstädt, gegen mich, hast du das vergessen? Kann man nicht vergessen, die haben den Rechtsstaat beschimpft, die Justiz, uns alle. Die Eltern des toten Jungen vornweg. Er war siebzehn, er hatte eine Pistole, ich war im Dienst, da waren die Einbrüche in den vergangenen Monaten, der Schaden ging in die Hunderttausende, wir sollten patrouillieren, schauen, dass die Serie endlich aufhört, wieder für Ruhe sorgen, dafür wurden wir bezahlt. Kapierst du das, Hardy? Ist das angekommen in diesem deinem Gehirn? Sehr gut. Im Gehirn meines Bruders ist nämlich nichts angekommen, nie, und im Gehirn meines Vaters und meiner Mutter genauso wenig. Wenn ich denen erzählt hätte, dass ich zur Kripo will, hätten die gewiehert.«
    Er wartete, bis der Wirt das frische Glas hinstellte, und packte ihn dann am Handgelenk. »Raus aus der Polizei, rein ins Geschäftsleben. Also doch noch. Sepp-da-Depp, so kommt’s im Leben manchmal. Ich hab meinen Laden nicht zugesperrt, aber nicht, weil mein Bruder so gequatscht hat, garantiert nicht. Ich hab meinen Laden nicht zugesperrt, weil’s mir egal war, das alles. Das ist die Wahrheit, Herr Barheit. Totale Egalheit da drin. Und in vier Tagen ist Weihnachten. Sehr schön. Fehlt nur noch der Schnee. Wahrscheinlich fällt der Schnee heuer aus, die Klimaerwärmung ist schuld. Oder der
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