Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
Vom Netzwerk:
allerdings nur unter
    der Voraussetzung, dass man es niemandem
    weitererzähle.
    »Natürlich nicht.«
    »Schwörren!«
    Ein schöner Sommertag geht zu Ende. Morgen früh
    werden Sara und ich verlobt nach Hause fahren.
    Noch vier Monate, dann sind wir ein Ehepaar.
    Zum Abschied sagt mein Vater: »Is’ ja ein komi-
    scher Kauz, dein Schwiegervater. Aber von Wein
    versteht er wirklich etwas.«

Zwei

    Unsere Hochzeit ist ein Traum. Antonio hat sich da-
    für einen Anzug gekauft, der aus einer schwarzen
    Hose, einer schwarzen Jacke und einer lilafarbenen
    Weste besteht, die von goldenen Fäden durchwirkt
    ist. Dazu trägt er eine Fliege. Er sieht ein wenig aus wie ein Spielhallenchef aus Las Vegas und er benimmt sich auch so. Den ganzen Tag hat er, der sonst nie raucht, eine Zigarre im Mund und stellt sich allen Gästen ausführlich vor: »Marcipane, i binne de Vater von de schöne Braut hier. Darfe i fragene, wer Sie
    denn sinde? Aha, muss i ja wisse, zahle die Rechnung.
    Na ja, alle fur meine Schnucke.«

    Beim Essen führt er die Hochzeitsgesellschaft in einen Brauch ein, von dem er behauptet, dass er in
    seiner Heimat seit Jahrhunderten auf jeder Hochzeit üblich sei. Ich habe da so meine Zweifel, aber wer legt sich schon mit dem Brautvater an? Jedenfalls hält er bei Tisch eine kleine Rede, die außer seiner Frau und seiner Tochter nur noch ich, und das auch nur in Teilen, verstehe. Zum Abschluss der Brauch: »Wenne ei-
    ner klingelte mit de Messer an der Glas, alle zusamme musse an der Glas klingele und das Brautepaar musse aufstehe und küssen. Dazu rufte man ›Cent’ anni‹ , was bedeutete, dasse die Verbindung, die glücklich machte uns alle hiere heute, soll bestehen fur undert Jahre.«
    Dann klimpert er mit seinem Messer ans Glas, alle
    anderen klimpern mit, wir stehen auf und küssen
    uns, worauf er »Cent’ anni« ruft. Wir setzen uns wieder.
    Drei Minuten später – ich habe gerade Saibling im
    Mund – klimpert er abermals. Also das Ganze noch
    mal. Nachdem er in der folgenden halben Stunde
    sechs Mal cent’anni gemacht hat, bittet Sara ihn, damit ein wenig hauszuhalten, und er verspricht,
    nur noch höchstens drei Mal in der Stunde zu
    klimpern. Damit kann ich gut leben. Man heiratet ja meistens nur einmal im Leben. Die Nacht werden
    wir übrigens wohlweislich nicht im selben Hotel wie Antonio verbringen. Es stört mich im Allgemeinen
    nicht besonders, wenn Antonio um vier Uhr nachts
    überprüft, ob wir die Fenster geöffnet haben. Aber in der Hochzeitsnacht muss das nicht sein.
    Leider können Saras Verwandte aus Süditalien
    nicht dabei sein. Zu weit, zu teuer, zu kalt. Sara ist natürlich enttäuscht. Schade, denke ich und öffne am nächsten Tag das Geschenk der Familie, dem ein
    rosafarbener Brief beiliegt, den ungefähr zwanzig
    Menschen unterschrieben haben. Die meisten heißen
    Antonio und Maria. Unter sehr viel Holzwolle und
    Seidenpapier kommt ein monströser Schwan aus
    Porzellan zum Vorschein mit einem Loch im Rücken,
    in das man Bonbons füllt.
    »Ein ganz typisch italienisches Geschenk!«, jubelt
    meine Frau. Menschen, die einem so etwas schenken,
    muss man einfach kennen lernen.

    Die Gelegenheit dazu ergibt sich im darauf folgen-
    den Juni. Im Mai ruft Antonio an und lädt uns in sein Sommerhaus ans Meer ein. Dabei handelt es sich
    natürlich nicht direkt um sein Sommerhaus, sondern um das eines Arbeitskollegen aus dem Stahlwerk.
    Und genau genommen ist es auch kein Sommerhaus,
    sondern das Elternhaus des Kollegen, welches in den Ferienmonaten vermietet wird. Antonio hat es im
    Tausch für eine kleine Gefälligkeit billig bekommen.
    Diese Gefälligkeiten kenne ich bereits, weil Antonio sie mir schon einmal angeboten hat.
    Einmal sprach er mich leise von der Seite an:
    »Brauchste du eine neue Fahrrad?«
    »Nein, warum?«
    »Musste du nich bezahle, machte die Versicherung
    doch.«
    »Warum sollte mir die Versicherung ein Fahrrad
    kaufen?«
    »Weil deine Rade leider verschwunde iste.«
    Dann erklärte er mir, wie ein Rad verschwindet. To-
    ni ist Schichtführer in einem Stahlwerk. Wenn man so alleine nachts am Hochofen steht, kann es leicht passieren, dass irgendetwas – hoppla – darin verschwindet. Ein Fahrrad zum Beispiel. Nach der Schicht muss man dann nur feststellen, dass das Rad nicht mehr
    da ist, was ja eine Tatsache ist. Anschließend geht man zur Polizei und in null Komma nixe hat man ein
    neues Fahrrad.
    »Das ist Betrug«, sagte ich. Und dass ich mir selbst ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher