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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren
Autoren: John Green
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er sein muss. Wir gehen nicht so leicht kaputt. Auch das Gras gefällt mir. Das Gras hat mich zu dir geführt und mir geholfen, mir vorzustellen, wie du wirklich bist. Doch wir sind nicht verschiedene Halme der gleichen Pflanze. Ich kann nicht du sein. Du kannst nicht ich sein. Wir können uns einander vorstellen – aber nie völlig. Verstehst du?
    Vielleicht ist es mehr so, wie du vorher gesagt hast, dass wir Risse bekommen. Am Anfang sind wir alle wasserdicht, aber dann passieren Dinge – Leute verlassen uns, lieben uns nicht oder verstehen uns nicht, oder wir verstehen sie nicht, und wir verlieren und scheitern und tun einander weh. Und so bekommen wir Risse. Und, ja, sobald ein Schiff leck ist, ist das Ende unvermeidlich. Nachdem es in Osprey reingeregnet hat, war es für jeden Umbau zu spät. Trotzdem – da ist eine Menge Zeit zwischen den ersten Rissen und dem Ende, wenn wir auseinanderbrechen. Und vielleicht ist gerade das die Zeit, in der wir einander sehen können, weil wir durch unsere Risse hinausblicken können und durch die Risse der anderen in sie hinein. Wann haben wir uns das erste Mal richtig wahrgenommen? Als du durch meine Risse gesehen hast und ich durch deine. Davor haben wir nur die Bilder angesehen, die wir voneinander hatten, so wie ich dein Rollo angesehen habe, aber nie dahinter. Erst wenn wir Risse haben, kommt das Licht herein. Und das Licht kann heraus.«
    Sie legt sich die Finger an die Lippen, nachdenklich, oder als würde sie ihren Mund vor mir verstecken oder als wollte sie die Worte berühren, die sie spricht. »Du bist mir einer«, sagt sie schließlich. Sie sieht mich an, meine Augen und ihre Augen und nichts dazwischen. Ich habe nichts davon, wenn wir uns küssen. Aber ich will auch nichts mehr haben. »Da ist etwas, das ich tun muss«, sage ich, und sie nickt kaum merklich, als wüsste sie, was ich meine, und dann küsse ich sie.
    Der Kuss endet eine ganze Weile später, als sie sagt : »Du könntest nach New York ziehen. Das wäre lustig. Es wäre wie küssen.«
    Und ich sage : »Küssen ist schön.«
    Und sie sagt : »Das heißt Nein.«
    Und ich sage : »Margo, ich habe mein ganzes Leben da, und ich bin nicht du, und ich …« Aber weiter komme ich nicht, denn sie küsst mich wieder, und in dem Augenblick, als sie mich küsst, weiß ich endgültig, dass wir verschiedene Richtungen einschlagen. Sie steht auf und geht an die Stelle, wo wir geschlafen haben. Dann holt sie das kleine schwarze Buch aus ihrem Rucksack, kommt zurück an das Grab und legt es hinein.
    »Ich werde dich vermissen«, flüstert sie, und ich weiß nicht, ob sie mich oder das Buch meint. Ich weiß auch nicht, wen ich meine, als ich sage : »Ich auch.«
    »Gute Reise, Robert Joyner«, sage ich und werfe eine Handvoll Erde auf das kleine schwarze Buch.
    »Gute Reise, junger heldenhafter Quentin Jacobsen«, sagt sie und wirft eine Handvoll Erde in das Grab.
    Bei der nächsten Handvoll sage ich : »Gute Reise, furchtlose Margo Roth Spiegelman aus Orlando.«
    Und sie sagt : »Gute Reise, magischer Welpe Myrna Mountweazel.« Wir begraben das Buch, dann klopfen wir die Erde fest. Bald wird Gras darüber wachsen. Für uns wird es das schöne, ungeschnittene Haar der Gräber sein.
     
    Auf dem Rückweg zum Agloe General Store halten wir uns an den erdigen Händen. Ich helfe Margo, ihre Sachen zum Wagen zu tragen – einen Armvoll Kleider, ihr Waschzeug und den Bürosessel. Die Kostbarkeit des Augenblicks, die das Reden leichter machen sollte, macht es schwerer.
     
    Wir stehen auf dem Parkplatz eines einstöckigen Motels, und der Abschied ist da. »Ich besorge mir ein Handy, und dann rufe ich dich an«, sagt sie. »Und wir schreiben uns E-Mails. Und posten geheimnisvolle Kommentare auf Omnictionary.«
    Ich lächle. »Ich schreib dir eine E-Mail, sobald wir zu Hause sind«, sage ich. »Und ich erwarte eine Antwort.«
    »Ich gebe dir mein Wort. Und wir sehen uns wieder. Wir sind noch nicht fertig miteinander.«
    »Vielleicht nach dem Sommer. Wir könnten uns irgendwo treffen, bevor das College anfängt«, sage ich.
    »Ja«, sagt sie. »Ja, das ist eine gute Idee.« Ich lächle und nicke. Sie dreht sich um, und ich frage mich, ob sie das alles ernst meint, als ich sehe, wie ihre Schultern zucken. Sie weint.
    »Wir sehen uns wieder. Und bis dahin schreiben wir uns«, sage ich.
    »Ja«, sagt sie mit erstickter Stimme, ohne sich umzudrehen. »Ich schreibe dir zurück.«
    Wir sagen diese Dinge, um nicht zu
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