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Margos Spuren

Margos Spuren

Titel: Margos Spuren
Autoren: John Green
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dir!«, donnerte er. »Jetzt sofort!«
    Margo packte mich am Hemd und flüsterte mir ins Ohr : »Ich bin in einer Minute zurück.« Dann kletterte sie aus dem Fenster.
     
    Kaum war sie fort, steckte ich meinen Autoschlüssel ein, der auf dem Tisch lag. Einen Schlüssel hatte ich, nur das Auto gehörte tragischerweise nicht mir.
    Zu meinem sechzehnten Geburtstag hatten meine Eltern mir ein sehr kleines Geschenk überreicht, und in dem Moment, als ich es in der Hand hielt, wusste ich, dass es ein Autoschlüssel war. Ich hätte mir vor Freude fast in die Hose gemacht, weil sie mir vorher mehrfach gesagt hatten, sie könnten es sich nicht leisten, mir ein Auto zu schenken. Doch als ich die kleine, hübsch verpackte Schachtel in der Hand hielt, dachte ich, sie hätten geschwindelt und mir doch ein Auto gekauft. Ich riss das Papier auf und öffnete die Schachtel. Es lag wirklich ein Schlüssel darin.
    Bei näherer Betrachtung entpuppte er sich als Chrysler-Schlüssel. Der Schlüssel zu einem Chrysler-Van. Dem Kleinbus meiner Mutter.
    »Ihr schenkt mir einen Schlüssel zu deinem Auto?«, fragte ich.
    »Tom«, sagte meine Mutter zu meinem Vater, »ich habe dir gesagt, er ist enttäuscht.«
    »Mach mir keine Vorwürfe«, gab mein Vater zurück. »Damit sublimierst du nur deine Frustration über mein Einkommen.«
    »Ist deine Blitzanalyse nicht ein bisschen passiv-aggressiv?«, erwiderte meine Mutter.
    »Sind rhetorische Anschuldigungen passiv-aggressiven Verhaltens nicht grundsätzlich passiv-aggressiv?«, konterte mein Vater, und dann ging es eine Weile so weiter.
    Kurz gesagt : Sie übertrugen mir das Nutzungsrecht für das Ungetüm, das Mamas Kleinbus darstellte, außer wenn meine Mutter es gerade benutzte. Und da sie jeden Morgen damit zur Arbeit fuhr, durfte ich den Wagen nur am Wochenende haben. Beziehungsweise am Wochenende und mitten in der Nacht.
    Margo brauchte länger als die versprochene Minute, bis sie wieder da war, aber nicht viel länger. Allerdings war mein Entschluss, während sie weg war, ins Wanken geraten. »Ich habe morgen Schule«, sagte ich.
    »Ja, ich weiß«, sagte Margo. »Morgen ist Schule, und am Tag danach auch, und wenn du zu lange darüber nachdenkst, kriegst du graue Haare. Ja, es stimmt, es ist mitten in der Woche. Deswegen sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen, damit wir vor Morgengrauen wieder zu Hause sind.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Q«, sagte sie. »Q. Schätzchen. Wie lange sind wir schon Freunde?«
    »Wir sind keine Freunde. Wir sind Nachbarn.«
    »Verdammt noch mal, Q. War ich nicht immer nett zu dir? Habe ich meinen Handlangern in der Schule nicht befohlen, nett zu dir zu sein?«
    »Doch«, antwortete ich skeptisch, auch wenn ich immer geahnt hatte, dass es Margo war, die Chuck Parson und seiner Meute eingeschärft hatte, sich nicht an uns zu vergreifen.
    Sie klimperte mit den Wimpern. Sogar ihre Lider waren schwarz. »Q«, sagte sie, »wir müssen los.«
     
    Also ging ich mit. Ich kletterte aus dem Fenster, und dann schlichen wir an der Seite unseres Hauses entlang und öffneten mit eingezogenen Köpfen die Wagentüren. Margo flüsterte, wir sollten die Türen offen lassen – zu viel Lärm –, und ich legte bei offenen Türen den Leerlauf ein, drückte mich mit dem Fuß von der Einfahrt ab und ließ den Kleinbus auf die Straße rollen. Langsam rollten wir ein paar Häuser weiter, dann startete ich den Motor und machte das Licht an. Wir zogen die Wagentüren zu, und ich folgte den Serpentinenstraßen unserer endlosen Siedlung, wo die Häuser alle immer noch neu und wie aus Plastik aussahen, eine Spielzeugstadt, die von Tausenden von echten Menschen bewohnt wurde.
    Margo fing zu reden an. »Eigentlich interessiert meine Eltern nicht die Bohne, was ich mache; es geht ihnen nur darum, was die Nachbarn denken. Weißt du, was er eben gesagt hat? Er hat gesagt : ›Ist mir egal, wenn du dein Leben wegwirfst, aber bring uns nicht vor den Jacobsens in Verlegenheit – sie sind unsere Freunde.‹ Dass ich nicht lache. Du hast keine Ahnung, wie schwer es neuerdings ist, aus dem blöden Haus rauszukommen. Schon mal gesehen, wie sie bei Gefängnisausbrüchen im Kino immer ein Kleiderbündel unter die Decke legen, damit es aussieht wie ein Mensch, der schläft?« Ich nickte. »Tja, meine Mutter hat ein verfluchtes Babyphon in meinem Zimmer installiert, damit sie mich nachts schnarchen hört. Ich musste Ruthie fünf Dollar geben, damit sie in meinem Zimmer schläft, und dann
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