Marcos Verlangen
sich selber reden. Und es gibt darunter immer wieder welche, die auch tatsächlich etwas Intelligentes zu sagen haben.“ Er wurde wieder ernst und spielte etwas geistesabwesend mit seinem Glas. „Interessierst du dich eigentlich sehr für Kunst?“, fragte er sie plötzlich unvermittelt.
Sie sah ihn einen Moment lang merkwürdig an. „Wie kommst du jetzt darauf?“
„Immerhin habe ich dich auf einer Ausstellung wieder gesehen, falls du dich erinnerst.“
„Ja, daran erinnere ich mich noch gut.“ Nachdenklich drehte nun auch sie ihr Glas in den Händen, ohne dass es ihr auffiel, dass sie ihn dabei nachahmte. „Ich – also, ich habe beruflich mit Kunst zu tun.“
„Tatsächlich? Das ist ja hochinteressant.“
Sie nickte. „Ja. Hochinteressant.“
Der Unterton in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen.
„Was soll das heißen?“
Sie räusperte sich und hielt den Blick verlegen auf ihr Glas gerichtet. „Ich rede eigentlich nicht so gerne darüber. Es ist alles mehr Schein als Sein.“
Das brachte ihn zum Lachen. „Arbeitest du etwa für eine Bande von Kunstfälschern?“
Sie sah auf. „Nein, natürlich nicht. Aber irgendwie…“ Sie stockte.
„Das wird ja immer geheimnisvoller. Nun erzähl schon, was ist daran so ehrenrührig?“
„Eigentlich nichts, aber es ist auch nicht gerade was Besonderes. Ich arbeite bei einem dieser Kunsthändler, die Drucke und Massenware kommerziell an Touristen verkaufen. So, jetzt weißt du es also.“
Er zuckte die Achseln. „Da ist nun wirklich nichts dabei. Kunstdrucke sind doch keine Fälschungen. – Und ich hatte schon auf ein finsteres Geheimnis gehofft.“
Daraufhin zuckte wiederum sie die Achseln. „Nein, das ist kein Geheimnis, aber besonders toll ist es nun auch wieder nicht, denn dieser kommerzielle Kunsthändler ist noch dazu mein eigener Vater. Könnten wir also bitte das Thema wechseln?“
Er lachte belustigt auf und musterte sie dann einen Augenblick lang mit leicht zusammengekniffenen Augen. Er fand an der Konstellation nichts, was ihr so unangenehm hätte sein müssen, doch es war offensichtlich, dass es ihr schon beinahe peinlich war, darüber zu reden. Also gab er nach und kehrte zum Ausgangspunkt seiner Frage zurück.
„Im Palazzo dei Diamanti ist gerade eine Ausstellung, die ich gerne sehen würde.“ Er hob den Blick zu ihrem Gesicht und musterte es so eindringlich, als müsse er anschließend aus dem Gedächtnis ein Porträt von ihr anfertigen.
„Ich weiß“, antwortete sie schlicht und ignorierte seinen bohrenden Blick. „Boldini, Previati und de Pisis. Ein Teil der Gemälde, die sie wegen der Erdbebenschäden am Palazzo Massari ausquartieren mussten.“
„Du hast sie schon gesehen?“
Ella nickte, doch als sie seine Enttäuschung bemerkte, beugte sie sich plötzlich vor und legte ihm die Hand auf den Arm. „Das ist aber eine Ausstellung, die man sich gerne öfter als einmal ansehen kann.“
Marco starrte auf ihre Hand, die leicht auf seinem Arm lag und er spürte ihre Wärme durch den Stoff seines Hemdes hindurch. Als sie seine Reaktion bemerkte, zog sie hastig ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Ihre Blicke bohrten sich ineinander und Ella stieß hörbar den Atem aus. Die Luft zwischen ihnen schien auf einmal zu knistern, die erotische Spannung schickte Wellen der Erregung in seinen Unterleib.
Schließlich räusperte er sich mühsam und tat ungerührt. „Du würdest sie dir also noch einmal ansehen?“
„Jederzeit.“ Auch ihre Stimme war spröde und sie blieb einsilbig.
Er wartete noch ein paar Atemzüge lang, bis seine Erregung sich wieder etwas gelegt hatte und er ohne verräterische Beule im Schritt aufstehen konnte.
„Wollen wir?“, fragte er schließlich leise.
Ella nickte schweigend und erhob sich. Auch er sagte nichts mehr, stand ebenfalls auf, bezahlte die Drinks und hielt ihr die Tür auf.
Zugeständnis mit Hindernissen
Jetzt wusste er mit Sicherheit, dass sie dieselbe Anziehung spürte wie er. Während ihres intensiven Blickkontakts hatte sie unwillkürlich die Lippen leicht geöffnet. Ihre Atmung hatte sich beschleunigt und ihre Wangen hatten sich leicht gerötet. Diese Reaktionen sagten ihm eindeutig aus, dass die Situation sie ebenso erregte wie ihn. Es war ein überwältigender Gedanke. Trotzdem fühlte er sich merkwürdig befangen.
Zum ersten Mal in seinem Leben bedauerte er es, kein unbekümmerter Twen mehr zu sein, der spontan seinen Trieben und Bedürfnissen nachgab,
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