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Marathon

Marathon

Titel: Marathon
Autoren: Helmut Frangenberg
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ausgebacken.
Anschließend schmiss sie die Reibekuchen auf
Küchenkrepp, das sie auf ihrer Anrichte ausgebreitet hatte, um
sie zu entfetten. Ihre Rievkooche waren schon solo ein Genuss, doch
sie verstand es, sie mit allerlei Zugaben zum Gedicht zu vollenden.
Kompott, Lachs, Schweinegeschnetzeltes - alles passte zu Iris
Remmers Reibekuchen. Heute hatte sie sich für Rinderlende
entschieden, die sie selbst durch den Fleischwolf gedreht hatte, um
frisches Tatar servieren zu können. Dabei verzichtete sie
völlig auf die Gewürze. Ihre Gäste sollten selbst
entscheiden, ob sie das Gehackte mit kleinen Zwiebelwürfeln,
Senf, Tabasco oder schwarzem Pfeffer aus ihrer riesigen
Pfeffermühle würzen wollten. Schmallenberg hatte alles
probiert.
    »Seltsamer
Kollege, dein Gröber. Neigt zu spontanen Entschlüssen,
oder?«, fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. Iris Remmer
zog gleichgültig die Schultern hoch, während sie sich
ihre Finger an einer Papierserviette abwischte.
    »Er leidet unter
seinem Alter.«
    Sie streckte die Beine
aus und suchte mit dem rechten Fuß sein
Schienbein.
    »Ach. Wie alt
ist er denn, der Gröber?«
    »Er wird vierzig
und ist darüber sehr verzweifelt«, sagte sie lachend,
während sie ihren Fuß sein Bein hochgleiten
ließ.
    »Der
Arme.« Der Pathologe zeigte wenig Mitleid. »Da liegt
noch ein Reibekuchen auf dem Teller. Das macht mir mehr
Sorgen.«
    »Lass ihn
liegen. Zeit für den Nachtisch«, sagte sie. Ihr
Fuß war an seinem Innenschenkel angekommen. Er prostete ihr
zu.
    »Es ist Zeit
für eine ernste Frage, liebe Kollegin.«
    Sie war sich nicht
ganz sicher, wie ernst die Ankündigung gemeint war. Für
einen Augenblick stellte sie ihre Bemühungen mit dem rechten
Fuß ein. Wirklich ernst gemeinte Fragen nach Reibekuchen mit
Tatar konnten private Probleme bedeuten. Und auf die hatte sie
keinerlei Lust. Dass der Kollege aus der Pathologie tief Luft
holte, bevor er die Frage stellte, machte ihr zusätzlich
Sorgen.        
    »Was
würdest du davon halten«, begann Schmallenberg
vorsichtig, »ich meine, so ganz unverbindlich, du und ich,
also von mir aus auch in getrennten Zimmern und so.« Er kam
ein wenig ins Stocken. Er schien zu wissen, dass er nun bei Iris
Remmer, einer glücklich Geschiedenen mit einem erwachsenen
Sohn, schwieriges Terrain betrat. »Also, du kannst ja mal
drüber nachdenken. Musst ja nicht gleich antworten.« Ihr
Fuß stand wieder fest auf ihrem Küchenboden. »Ich
wollte dich mal fragen, was du denn davon halten würdest, wenn
wir zweimal zusammen in Urlaub fahren
würden.«
    Es war weniger
schlimm, als sie befürchtet hatte. Schnell war ihr Fuß
wieder an seinem Innenschenkel, um sich seinen weiteren Weg zu
suchen. Sie fand die Idee amüsant. Warum sollte sie nicht mit
dem Mann, mit dem sie nun seit einem Jahr gelegentlich ausging, den
sie mit Reibekuchen bekochte und mit dem sie manche tolle Stunde im
Bett oder auf anderen Möbelstücken verbracht hatte, in
Urlaub fahren?
    »Was hast du dir
denn da so vorgestellt?«, fragte sie, während sie ihr
Glas leerte. Sie müsste nicht lange nachdenken, wenn er nun
das Richtige sagen würde. »Südafrika« zum
Beispiel, oder »eine Fahrt in die Arktis«, zur Not auch
»Wandern in Osterreich«. In jedem Fall wollte sie einen
konkreten Vorschlag hören, doch stattdessen sagte
er:
    »Keine Ahnung.
Was du willst.«
    Ohne es zu wissen,
hatte Schmallenberg seine große Chance vertan, als erster
Mann seit zehn Jahren an Remmers Seite in den Urlaub zu fahren. So
konnte man die Hauptkommissarin nicht beeindrucken.
    »Ich denk
drüber nach«, sagte sie freundlich. Der Nachtisch war
ihr wichtiger. »Gehen wir rüber?«
    Der Pathologe griff
nach der Flasche Wein, um sie als Wegzehrung mitzunehmen. Sie
lockte ihn durch ihr Wohnzimmer, in dem alle Wände bis unter
die Decke mit vollen Bücherregalen bestückt waren und in
dem außer einem großen Ohrensessel nur ein altes Klavier
stand, dem man den Klang, den es immer noch erzeugen konnte, nicht
ansah, in ihr Schlafzimmer.
    »Wann spielst du
mir mal was vor?«, fragte er, wie jedes Mal in den letzten
Monaten, wenn er ihr folgsam ins Schlafzimmer folgte. Auch diesmal
bekam er keine Antwort. Remmer hatte noch nie jemandem etwas
vorgespielt.

7
    Er konnte nicht
einschlafen. Sein Blick suchte nach irgendetwas, woran er in seinem
durch die Straßenlaterne schwach erleuchteten Schlafzimmer
hängen bleiben konnte. Ihm hatte sogar die Kraft gefehlt,
seine Gardinen zuzuziehen. Die körperliche
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