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Mantramänner

Mantramänner

Titel: Mantramänner
Autoren: J Hagedorn
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nicht erden. Ich will wegfliegen. Und zwar nicht allein.«
    Seine Hände. Überall. Und meine eigenen. Die erkannte ich gar nicht wieder, so neugierig waren sie. Neugierig auf dieses fremde Land, in dem es so viel mehr zu entdecken gab, als man bei einem Tagestrip im Frühling überhaupt wahrnehmen konnte.
    Und dann hoben wir ab. Und ich vergaß alles um mich herum. Die Party auf dem Dach. Und sogar die Tatsache, dass meine Füße schwarz-weiß gestreift waren. Schicke Sandalen waren das. Aber nicht besonders farbecht.
    Wir starteten auf dem Mond und machten uns schließlich auf zum Mars. Und während wir gemeinsam auf einen heißen, roten, pulsierenden Planeten zuflogen, dachte ich, dass ich auf keines von beiden mehr verzichten wollte. Nicht auf den Wahnsinn und die Leidenschaft. Und genauso wenig auf das Gefühl, ganz bei mir zu sein. Dass ich Feuer wollte und die große blaue Ruhe im Auge des Sturms. Yogitee und Champagner. Alles zu seiner Zeit.
    Kontraste waren das ganz große Ding in dieser Saison. Und vielleicht nicht nur in dieser.
    Das war dann aber auch das Letzte, das ich dachte. Danach war fürs Erste Schluss mit Denken.
    Irgendwann, während Chris und ich längst auf sehr weiten Umlaufbahnen in sehr weit entfernten Galaxien unsere Kreise drehten, stieß mein Handy eine kleine Fanfare aus. Sie haben Post . Aber die Teilnehmerin war derzeit nicht erreichbar. Oder wenn, dann nur auf einer ganz anderen Frequenz, auf der Worte nichts verloren hatten.
    Wir waren sehr laut. Und dann schwiegen wir sehr lange. Das Zimmer roch nach Sex. Chris’ Hand lag auf meinem Bauch, ganz zart, als wäre das meine empfindlichste Stelle, die es zu beschützen galt.
    »Und jetzt?«, fragte er schließlich sanft.
    Ich stützte mich auf einen Ellenbogen und sah ihn an. In seinen Augenwinkeln schimmerte es feucht.
    »Was jetzt?«, fragte ich vorsichtig zurück.
    »Ich meine, die Party hat längst angefangen. Willst du da noch hin?«

    »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen«, antwortete ich.
    »Würdest du dann auch mit mir bleiben, wo ich bleiben will?«, fragte er.
    »Wo willst du denn bleiben?«
    »In deinem Bett. In deinen Armen. Nach dem Frühstück sehen wir dann weiter.«
    »O Gott, das Frühstück!« Ich schlug mir mit der flachen Hand vor den Kopf und traf mich hart mit meinem eigenen Ich-bleib-mirtreu-Ring. »Aua!« Chris pustete meine Stirn und strich über mein Haar. »Armes Mädchen«, sagte er, »nicht selbst wehtun! Was ist denn mit dem Frühstück?«
    »Es ist um sieben! Wir fliegen um halb zehn, und ich hab noch nichts gepackt!«
    Chris streckte sich einladend auf dem Bett aus, das schon gar nicht mehr so einschüchternd riesig aussah mit ihm darin. Es war eben alles im Leben relativ.
    »Ist doch hervorragend«, sagte er, »das gibt uns noch etwa eine Stunde, um unser Zeug zusammenzusuchen. Und sieben Stunden, in denen ich was Besseres wüsste. Das heißt«, er sah mich plötzlich ängstlich an, »wenn du … ich meine, wenn du jetzt erst einmal Ruhe brauchst … ich will nicht …«
    »Wie kommst du denn auf diese Idee?« Ich war ehrlich empört.
    Er blickte mich beinahe schüchtern von der Seite an. »Ich weiß auch nicht«, sagte er nach einer Weile, »irgendetwas ist anders an dir als im Frühjahr. Du wirkst so – wie soll ich sagen? Nicht unnahbar, eher so stolz. Oder nein, stolz ist auch nicht das richtige Wort, vielleicht selbstgewiss?«
    »Vielleicht«, erwiderte ich geheimnisvoll und fühlte mich für einen Moment lang wirklich wie eine mysteriöse Göttin. Wenigstens wie die Frau, die ich mal hatte werden wollen, nach einem One-Night-Stand, der nun doch keiner geblieben war. Buddha sei Dank.
    Chris legte den Kopf schief. So schnell wie der Moment der Befangenheit gekommen war, war er auch wieder vorbei und machte einem spitzbübischen Grinsen Platz. »Oder warst du beim Friseur?«
    Gleichzeitig griff er nach mir, aber ich entwand mich und schnappte
nach meinem Handy. Genau das, was mysteriöse Göttinnen im 21. Jahrhundert traditionellerweise taten.
    »Kleinen Moment noch«, sagte ich, denn jetzt war ich doch neugierig geworden auf die SMS, die da vorhin angekommen war. Vielleicht etwas Wichtiges von Melli.
    Ich las die Nachricht. Las sie noch einmal.
    Dann sah ich Chris an.
    »Das war mein Vater. Ich bin Halbschwester geworden«, flüsterte ich. »Um Viertel vor zehn.«
    »O toll!«, sagte Chris und gab mir einen Kuss zwischen die Schulterblätter, »Junge oder Mädchen?«
    »Er ist 3400 Gramm
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