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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia
Autoren: Catherine Banner
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lisch.«
    »Es ist leicht für dich, das zu sagen. Vater hat es nicht geschadet, klug zu sein. Wie bringst du denn das Essen auf den Tisch? Mit dem Geld von seinen Büchern! Du selbst arbeitest nicht.«
    »Wäre es dir lieber, ich würde arbeiten, Leo?«
    »Nein. Ich sage nur, dass du es nicht tust.«
    »Ich habe keine Zeit dazu, weil ich mich um dich und Stirling kümmere.«
    »Du musst nicht arbeiten, weil du Vaters Geld hast.«
    »Das stimmt, und wir können uns mehr als glücklich schä tz en, dass niemand es herausgefunden hat. Und sieh nur, welchen Preis Harold für seine Klugheit bezahlt hat. Mein einziger Sohn, geflohen bei Nacht wie ein Verbr e cher. Und jetzt …« Sie brach ab und setzte dann neu an. »Dein Großonkel war so berühmt und mächtig – und auch ihm hat seine Klugheit nichts eingebracht. Nun ist er tot. Ist das die Art, wie du enden möchtest?«
    »Ja«, sagte ich. Ich hätte es einfach auf sich beruhen lassen sollen, aber ich hatte ihre ständigen Belehrungen satt.
    »Ja?«, wiederholte sie mit erhobener Stimme. » Ja ? Gut, denn du bist auch nicht mehr weit davon entfernt, wenn du nicht endlich anfängst, etwas zu leisten. Ich bin deine ständigen Beschwerden über die Schule leid. Weißt du eigentlich nicht, was für ein Glück du hast?«
    » Glück ?«
    »Weißt du nicht, was manche Jungen dafür geben würden, die Ausbildung zu bekommen, die du erhältst? Weißt du nicht, wie glücklich du dich schätzen kannst, Soldat zu werden? Aber du bist so undankbar, dass du sogar behauptest …«
    »Was heißt hier undankbar?«, fuhr ich auf. »Wofür soll ich denn dankbar sein? Alles, was ich gesagt habe, war, dass ich lieber tot sein würde. Und ich meine es so. Ich wäre lieber tot, als einer von diesen schwachköpfigen Soldaten zu werden. Sie halten sich für so verdammt schlau, dass …«
    »Leo!« Ich hatte sie schon seit langer Zeit nicht mehr so laut schreien gehört. »Wag es nicht, so mit mir zu sprechen!« Ich bekam ständig Ärger wegen meines Fl u chens. »Du bist derjenige, der sich für schlau hält!«, kei f te sie. »Nun, du musst noch eine Menge lernen! Und zwar nicht zuletzt ein wenig Respekt.«
    Schwer atmend wandte sie sich von mir ab. In der Fensterscheibe sah ich ihr zorngelbes Gesicht zucken, und für einen kurzen Augenblick hatte ich ein bisschen Angst vor ihr. Ich schätze, dass ich mich daran erinnerte, wie sehr ich mich al s k leiner Junge vor ihr gefürchtet hatte, wenn sie mich anschrie. Ich beobachtete sie einen Moment. Plötzlich war mir wegen der Reaktion, die ich so mühelos provoziert hatte, zum Lachen zumute. W a rum, weiß ich nicht.
    Es wurde immer dunkler im Zimmer, während ich dort saß. Meine Großmutter machte keine Anstalten, die Ö l lampe auf dem Tisch anzuzünden. Sie stand da, als wäre sie aus Stein gemeißelt. Den einzigen Beweis, dass sie keine Statue war, lieferte der dunstige Kreis auf der Gla s scheibe, der erst größer, dann kleiner und schließlich wieder größer wurde, während sie dagegen atmete. Es war kalt im Zimmer, und ich wollte meinen Mantel wi e der anziehen, aber ich war in dem Schweigen gefangen und konnte seine Mauern nicht durchbrechen.
    Ich wünschte mir plötzlich, ich hätte sie nicht ang e schrien. Sie war schließlich schon recht alt, und ich hätte es besser wissen müssen. Ich war kein kleines Kind mehr. Ich hätte mir mehr Mühe geben sollen und gelobte mir nun selbst, dass ich mich in Zukunft mehr bemühen würde, sie zu verstehen. Ich würde versuchen, mein Temperament zu zügeln. Ich überlegte träge, ob sie sich wohl jemals wieder bewegen würde.
    Endlich drehte sie sich wieder zu mir um. Die Wolken draußen waren inzwischen so dicht und das Licht so dämmrig, dass ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. »Leo, warum hast du nicht auf deinen Bruder gewartet?«, fragte sie. Sie knüpfte wieder an unser G e spräch an, auch wenn ihre Stimme jetzt zitterte. Sie war immer noch zornig, nahm ich an.
    »Ich habe versucht zu warten. Aber Markey hat mich erwischt.«
    » Sergeant Markey«, sagte sie streng. »Ich will, dass du zurückgehst und Stirling abholst.«
    »Was? Ich habe dort mehr als eine Stunde herumg e standen, bevor ich heimging – eher sogar zwei Stunden. Mir ist immer noch kalt. Die Temperatur da draußen liegt unter dem Gefrie rp unkt.« Und es war ein weiter Weg zurück zur Schule – aber ich wusste, dass ich gehen wü r de.
    »Du hast gehört, was ich gesagt habe. Es ist nicht s i cher für ihn,
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