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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang
Autoren: Gitta von Cetto
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wenn ich
ein Sonderling werde.«
    Jeannette lächelte verzweifelt.
»Was soll ich tun, Sami? Ich bin noch nicht alt genug, um deine Mutter zu
spielen, und nicht mehr jung genug, um deine Frau zu sein. Und außerdem gehöre
ich zu Roni. Befehl von oben, verstehst du? Bestimmung.«
    Mit diesen Abschiedsworten im
Ohr flog Sami Korthes zurück nach Alaska zu seinen Jagdgewehren und
Schneefeldern und Pelztieren.
    Ronald hatte sich eine
Dolmetscherin engagiert, ein ehrgeiziges, gescheites Ding mit einem häßlichen
Gesicht, aber auffallend schönen, dunklen Haaren, kräftig und glatt wie die
Mähne eines Pferdes.
    An dem Tag, an dem er im
Konferenzzimmer seines Hotels zu einer Gläubigerversammlung geladen hatte,
bekam er mit der Frühpost einen ganzen Schwung Briefe aus Europa. Es war die
dritte Postwelle, seit er hier war.
    Goggi schrieb ihm, daß sie
umdisponiert hätte und mit Nico noch ein paar Tage länger in Altea bliebe. Sie
habe mit Paul Uckermann telefoniert und ihn breitgeschlagen. Uckermarui mache
sich auf den Weg nach Spanien, auf den >Frachtweg<, schrieb sie, denn er
bringe Schiffskoffer voll Farben und Pinsel und die Leinwand eines mittleren
Filmtheaters. Übrigens sei er begeistert über die Idee, Nico Zwo hüten zu
können. Er behauptete, er sei eigentlich sein Urgroßvater, zum mindesten sein
geistiger. »Er hat noch immer seinen Klaps, du kennst ihn ja. Nur so ist es zu
erklären, daß er an deiner Schnapsidee, von heute auf morgen nach Rio zu
fliegen, gar nichts Besonderes findet«, hieß es in dem Brief. »Jacky geht es
gut. Er geht tüchtig schwimmen und hat schon Bekanntschaft mit Krabben
geschlossen. Er stinkt wie ein altes Fischfaß, und nachts schläft er auf deinem
Bademantel und träumt von dir.«
    Na also! Die Welt ging nicht
unter, wenn er nicht bei seiner Sippe war. Zuversichtlich machte sich Ronald an
das öffnen der übrigen Post.
    Die Muhr berichtete von einem
unglaublichen Gewittersturm, der über München niedergegangen war. Er hatte die
riesige Pappel, den würdigsten und ältesten Baum des Gartens, umgerissen. Aber
nicht nur das, die Pappel war so unglücklich gestürzt daß sie das Dach der
Garage eingedrückt hatte. Der Grundton ihres Briefes war gekränkt. Eigentlich
schob sie Ronald die Schuld an dem Sturm in die Schuhe und ließ durchblicken,
daß er der Mörder seiner Pappel war. »Wenn man so ein schönes Grundstück
besitzt wie Sie, sollte man sich nicht so lange davon entfernen.«
    Na ja, das war’s also. Ronald,
der seine Zigarette in hastigen Zügen zu rauchen begann, zwang sich zur Ruhe.
Die Pappel wäre auch ohne mich geborsten, dachte er.
     
    Als er eine halbe Stunde später
Henry Bonnards Gläubigern gegenüberstand, war er die Ruhe selbst. Er
überblickte die fremden Gesichter und zählte achtzehn. Für ihn sahen sie alle
gleich aus, Männer mit Augen wie funkelnde Kohlenstückchen und mit einem
wohlwollenden Lächeln, als seien sie gekommen, ein gutes Werk zu verrichten.
    Ronald hielt die Hände vor sich
auf den Tisch gestützt und genoß seine Kaltblütigkeit. Er hatte sich keine
bestimmten Worte zurechtgelegt, die er diesen Leuten sagen wollte, er kannte
jedoch die Bedeutung des Trumpfes, den der Zufall ihm in letzter Minute in die
Hand gespielt hatte.
    Der Anwalt, der Ronald von Sami
empfohlen worden war, hatte auf den ersten Blick den Eindruck eines alten
Männchens mit ausgeleierten Armen und Händen und einer ebenso ausgeleierten
Stimme gemacht. Aber was er sagte, hatte Hand und Fuß. Ronald hatte das schon
bei seinem ersten Besuch auf Herrn Gabriels Kanzlei gemerkt. Er war ein
gefährlicher Kämpfer, hart wie Granit und durchtrieben wie ein armenischer
Teppichhändler. Er saß mit halbgeschlossenen Augen da und glich in seinem
fadenscheinigen schwarzen Jackett einer müden Saatkrähe. Nur seine faltige
Altmännerfaust lag gespannt da.
     
    Und dann begann Ronald zu
sprechen, und als er zu Ende war, lag seine Trumpfkarte auf dem Tisch. Die
Beteiligung Bonnards an einer kleinen amerikanischen Ölgesellschaft, der man
bisher keine Beachtung geschenkt hatte, entpuppte sich als Rettungsanker. Die
Gesellschaft war plötzlich auf Öl gestoßen. Die Quelle floß unaufhörlich.
Ronald stand da mit dem Gefühl eines Toreros, der den entscheidenden Stoß
geführt hat.
    Ein Mann mit einem
Haifischgesicht fuchtelte wild mit einem Blatt Papier, das er in der Hand
hielt. »Warum erscheint in der ersten Aufstellung von Herrn Gabriel dieser
Posten überhaupt nicht? Erst in der
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