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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang
Autoren: Gitta von Cetto
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anständigen
Gläubiger befriedigen.«
    Ronald betrachtete sie unruhig.
»Du hast ihn also geliebt?«
    »Nein«, sagte sie ohne Zögern.
    »Was veranlaßt dich dann zu
dieser — —dieser sehr selbstlosen Haltung?«
    »Du magst es glauben oder
nicht, er war für mich ein guter Freund.«
    Jeannette machte eine kurze
Pause. »Nenne es also Freundespflicht. Ich habe vor vielen, vielen Jahren in
dieser Hinsicht einmal eine gehörige Lektion erhalten. Du warst ein guter
Lehrmeister in puncto Ehrbegriff.«
    Ronald spürte, daß sie sich
diesen Satz schon hundertmal vorgesagt hatte, er spürte auch ihre Genugtuung,
ihn jetzt laut auszusprechen. Es war schon zu dunkel, tun in ihrem Gesicht zu
lesen.
    In Rio fällt die Nacht dem Tag
jäh in den Rücken. In der Nähe des Äquators gibt es das beschauliche
Zwischenspiel der Dämmerung nicht. Helligkeit und Dunkel prallen hart
aufeinander. »Kann man vielleicht Licht machen?« fragte Ronald.
    Jeannette drückte auf einen
Schalter, der Prismenleuchter flammte auf und übergoß den Raum mit seinen
Lichtem. Sie fingen sich in den leise schaukelnden Kristallen. Ronald atmete
auf. Die Dunkelheit hatte ihn bedrückt. »Und wer ist dieser Sami Korthes?«
fragte er gepreßt und räusperte sich.
    »Ein gemeinsamer Freund von
Henry und mir. Wir waren viel mit ihm in den Staaten zusammen. Die Nachricht
von Henrys Tod hat ihn irgendwo in Alaska erreicht, wo er sich auf einer
Jagdexpedition befand. Er will mir helfen, alles zu ordnen. Du mußt dir nämlich
klar machen, daß ich, wenn ich in ein paar Tagen mit einem kleinen Handkoffer
dieses Haus verlasse, unter Umständen nicht nur bettelarm, sondern auch bis
über die Ohren verschuldet bin.«
    Er sah ihre schmucklosen Hände
und mußte unwillkürlich an die kostbaren Brillantringe denken, die sie bei
ihrem letzten Münchner Besuch getragen hatte. »Und was möchte dieser Korthes
für seine Hilfe haben?«
    »Eine Kleinigkeit.« Sie sah ihn
voll an und lächelte unergründlich. »Mich.«
    »Da bin ich ihm allerdings eine
Nasenlänge zuvorgekommen.« Er sagte es völlig gelassen und lehnte sich zurück.
»Wir beide gehören zusammen, nicht du und Sami Korthes.«
    »O Roni, laß uns nicht
theatralisch werden. In unserem Alter!«
    »Das mußt du mir überlassen.
Unser Alter bestimme ich. Ich werde von jetzt an alles in die Hand nehmen, was
dich und mich betrifft.« Er umfaßte ihre schmale Schulter enger. »Meine
Tochter, mein Hund und meine Köchin genügen mir nicht mehr. Ich möchte endlich
eine Frau bei mir haben, die ich liebe. Dich, Jeannette.«
    »Es ist vielleicht das
ungewohnte Klima, Roni. Ich werde Maurice klingeln und eine Flasche Sodawasser
für dich kommen lassen, die dich abkühlt.«
    »Klingle ruhig. Ich habe gegen
Sodawasser nichts einzuwenden, solange Whisky dabei ist. Aber das wird mich
nicht hindern, dir eine Liebeserklärung zu machen. Nichts auf der Welt wird
mich mehr daran hindern, nicht einmal dein Sami Dingsbums.«
    Die Tür öffnete sich lautlos,
und Maurice erschien mit seinem spiegelglatten Gesicht. Er schien es nicht zu
bemerken, daß seine Herrin eng umschlungen mit einem ihm bis dahin unbekannten
Herrn auf dem Sofa saß. »Madame?«
    Jeannette hatte geklingelt,
ohne daß Ronald es bemerkt hatte. »Bringen Sie uns etwas zu trinken, Maurice.«
Als er gegangen war, wandte sie sich an Ronald. »Schau her, er ist zum Beispiel
in Henrys Testament mit einer goldenen Zigarettendose und ein paar anderen
Dingen bedacht worden. Wenn ich alles in die Konkursmasse werfe, bekommt er keinen
roten Heller. Das geht mir wider den Strich. Ich möchte, daß ein paar Menschen
gern an Henry zurückdenken.«
    Ronald ging zum Fenster und
versuchte es zu öffnen.
    »Nicht so. Du mußt links auf
den kleinen Knopf drücken. Es ist versenkbar«, sagte Jeannette.
    »Schrecklich schwül hier«,
murmelte er zu seiner Entschuldigung.
    »Das bildest du dir ein. Die
Klimaanlage arbeitet vorzüglich, und außerdem haben wir in Rio jetzt Winter. Du
müßtest mal im Sommer hier sein, da könntest du ein Lied von der feuchten Hitze
singen.«
    Maurice erschien mit einer
fahrbaren kleinen Bar aus Messing und Glas. Zwischen den Flaschen stand die
Kristallschale mit Eiswürfeln. Beim Fahren klirrten die Gläser leise
aneinander. Es erinnerte Ronald an das Bimmeln der kleinen silbernen Glocke,
mit der er Goggi immer ins Weihnachtszimmer holte.
    »Was darf ich einschenken?«
Maurice war ein hübscher Bursche mit einem weichen, mädchenhaften
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