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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
Autoren: Walter Mosley
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schummriger Raum, rote Lampenschirme und dunkle Hölzer. Ich war eine halbe Stunde zu früh, aber Ambrose hatte bereits an einem kleinen runden Tisch in der Nähe des Tresens Platz genommen. Er saß auf einem Stuhl mit dünnen Beinen und hielt die Hände im Schoß gefaltet. Ich weiß noch, wie mir auffiel, dass er einfach nur so dasaß, keine Zeitung und kein Buch las und nicht nach neuen SMS oder E-Mails auf seinem BlackBerry guckte. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, eine hellroteWeste und eine blau-weiß gestreifte Ascot-Krawatte. Er trug eine kleine rechteckige Brille, und seinen tiefblauen Augen entging kein Detail.
    »Mr. McGill«, begrüßte er mich mit einem nichtssagenden Lächeln. »Nehmen Sie Platz.«
    Er wies auf einen robusteren Stuhl ihm gegenüber.
    Ich setzte mich und stützte den Ellenbogen auf mein rechtes Knie, die Handfläche auf das linke, um Thurman deutlich zu machen, dass ich direkt zum Geschäftlichen kommen wollte.
    »Wundervolles Wetter, nicht wahr?«, sagte er. »Da reden alle von globaler Erwärmung, trotzdem erscheint einem jedes Jahr milder als das vorherige, nicht so heiß, angenehmer.«
    »Warum will Ihr Klient diese Namen?«, fragte ich.
    Ambrose wandte langsam den Kopf, um sich zu vergewissern, dass niemand lauschte.
    »Warum will irgendjemand irgendetwas?«, fragte er mit einer Art knappem Schulterzucken.
    »Ich mache es wegen des Geldes«, sagte ich. »Aber nicht, wenn dadurch jemand Ärger kriegt, der es nicht verdient hat.«
    Ambrose lächelte.
    »Ich mache keine Witze, Mann«, sagte ich. »Ich muss wissen, wofür Sie die Information benutzen wollen.«
    Thurman war Mitte vierzig, sah jedoch älter aus. Er wirkte knollig, hatte schütteres Haar, blasse Haut und Wurstfinger. Mit seinen Patschhändchen zog er seine Ben-Franklin-Brille tiefer auf die Nase und spähte über den Rand ins Halbdunkel der noblen Bar.
    »Man hat mir erzählt, Sie seien der Typ Mann, der einen Job erledigt, ohne Fragen zu stellen«, sagte er.
    »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Es spielt keine Rolle, wer es war. Entscheidend ist, dass ich offenbar falsch informiert wurde.«
    »Früher war ich ein herzloser Mensch, Mr. Thurman«, sagte ich. »Wenn ich für einen Job kaltblütig, brutal oder blind sein musste, war ich dazu bereit. Aber heute muss ich wissen, was Sie mit dem, was ich Ihnen gebe, vorhaben.«
    »Wollen Sie Ihre Vergütung hochtreiben?«, fragte er, die Aufrichtigkeit in meiner Stimme überhörend.
    »Eigentlich nicht.«
    Thurman schob seine modische Brille wieder nach oben und lehnte sich zurück. Er betrachtete mich und atmete tief durch die Nase ein.
    »Eine Person – der Name spielt keine Rolle – hatte einen Sohn, der unter tragischen Umständen und relativ jung gestorben ist. Es war eine jener tückischen, plötzlichen Krankheiten, die ein glückliches Heim aller Hoffnung beraubt zurücklassen. Diese Person war einst ein Raubein ohne Geld und Aussichten im Leben. Sie lebte in der Bowery, wo sie ihren Sohn aufzog. Diese jungen Männer waren seine Freunde. Im nächsten Monat jährt sich der Tod des Jungen zum ersten Mal, und mein Klient möchte, dass die alten Freunde seines Sohnes an dem Gedenkgottesdienst teilnehmen.«
    »Warum wollte Ihr Klient dann alle vier Namen oder keinen?«
    »Es war eine Art Gelöbnis an sich selbst. Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, dass auch eine gute Portion Aberglaube im Spiel ist.«
    »Namen?«, fragte ich.
    »Keine Namen, Mr. McGill.«
    Es war eine plausible Geschichte. Wer immer die jungen Männer suchte, hatte sie seit ihrer Teenagerzeit nicht mehr gesehen. Roger war nervös, dass jemand von seinem alten Leben wusste, nicht weil in der Gegenwart jemand hinter ihm her war. Außerdem war ich pleite und die Miete fällig.
    »Die Beschaffung dieser Information hat mich zwölfhundert Dollar gekostet«, sagte ich. »Das heißt, bevor ich sie Ihnen übergebe, möchte ich elftausendzweihundert Dollar sehen, gleich hier an Ort und Stelle.« Mit zwei flinken Fingern trommelte ich einen Wirbel auf die Tischplatte wie ein Bongo-Trommler aus den Fünfzigern.
    »Hier?«, fragte Thurman und blickte sich um.
    Bis auf die Barkeeperin, ein junges Ding mit roten Haaren und einer spitzen Nase, war niemand im Raum.
    »Haben Sie oben auch ein Zimmer oder verabreden Sie sich hier nur mit Leuten, um sie zu beeindrucken?«, fragte ich.

7
    Neben der Rezeption befanden sich zwei dunkle Fahrstuhltüren. Ambrose drückte auf den Knopf, und wir warteten schweigend. Zwei sehr
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