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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
Autoren: Walter Mosley
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ich.
    Ein vertrautes Lächeln zuckte über Twilliams Lippen.
    »Hey, Pops«, sagte er.
    »Bist du Twill McGill?«, fragte ein Mann. Nicht bloß irgendein Mann, sondern Leslie Bitterman. »Wo ist meine Tochter? Ich weiß, dass sie bei dir ist.«
    Ich weiß nicht, was er als Nächstes vorhatte, und es spielte auch keine Rolle, weil ich meinen Sohn losließ und Leslie so heftig ohrfeigte, dass er sich auf seinen Arsch setzte. Im Rinnstein hockend schüttelte er den Kopf, um die Sternchen und Spinnenweben vor seinen Augen abzuschütteln.
    »Hey!«, sagte der Weiße, der mich zu Boden gestoßen hatte.
    Er kam direkt auf mich zu.
    Mit meiner Watschenhand raffte ich seinen dunkelblauen Hemdkragen und zog ihn dicht an mich.
    »Ich hab eine Knarre in der Tasche, und nichts hindert mich daran, dich gleich hier an Ort und Stelle abzuknallen.«
    Ich weiß nicht, ob es meine Worte oder der Tonfall waren, die ihn überzeugten, doch er wich zurück und verschmolz mit der Masse der ahnungslosen Menschheit.

52
    Ich packte Twills rechtes Handgelenk und zerrte ihn vom Straßenfest weg wie ein wütendes Kindermädchen einen unartigen Fünfjährigen. Erst sechs Blocks weiter blieben wir stehen.
    »Dad, Dad!«
    Ich merkte, dass mein Verstand ohne mich vorausgeeilt war.
    »Was?«
    »Was ist mit deinem Fuß?«
    »Meinem was?«
    »Du humpelst.«
    Seine Worte, so schien es, brachten den Schmerz in meinen Knöchel zurück.
    Wir standen auf dem Bürgersteig vor dem Natural History Museum. Twill führte mich zu einer Bank.
    Ich dachte an Willie Sanderson. Wo war er? Wen würde das Monster als Nächsten töten?
    »Dad?«
    »Du musst dir wegen Mardis Vater keine Sorgen mehr machen«, sagte ich. »Ich weiß, was er ihr angetan hat, und ich kümmere mich um ihn. Aber du hättest zu mir kommen sollen, Sohn. Du solltest immer zu mir kommen, wenn es ein Problem gibt.«
    »Mardi wollte nicht, dass es irgendjemand weiß.«
    »Zwischen uns gibt es keine Geheimnisse, Twill. Ich würde dieses Mädchen genauso wenig verraten wie du. Weißt du das nicht?«
    »Doch, schon.«
    »Und was war das für eine idiotische Idee, jemanden am helllichten Tag vor tausend Leuten zu erschießen?«
    »Woher wusstest du, dass ich vorhatte, ihn zu erschießen?«
    »Glaubst du, ich kenne deine Verstecke nicht, Sohn? Und ich hätte schon blind sein müssen, um nicht zu merken, was mit dem Mädchen los ist. Nicht verstanden habe ich, inwiefern es irgendwie helfen sollte, sich selbst auf einer Straße voller Menschen zum Märtyrer zu machen.«
    »Nein, Mann«, sagte er, als wäre ich einer seiner Schulkumpels. »Ich hatte das hier.« Er zog das Käppchen von seinem Kopf, das sich in seiner Hand zu einer Skimaske entfaltete. »So hätte niemand mein Gesicht gesehen und ...«
    Twill stand auf und zog sich das Kapuzensweatshirt über den Kopf. Darunter trug er ein hässliches, knallig rot-orangefarbenes Hawaiihemd mit einem Muster aus Pelikanen und Ananasfrüchten.
    Mein unverwüstlicher Sohn grinste.
    »Ich wäre weggelaufen und hätte in einer Gasse zwei Blocks entfernt das Sweatshirt ausgezogen. Dann wäre ich in den Central Park gelaufen, wo ich die Waffe unter einem Stein versteckt hätte.«
    Es war kein übler Plan. Seine Durchführung erforderte Konzentration, aber Twill hatte nie unter Aufmerksamkeitsdefiziten gelitten.
    »Hör zu, Sohn«, sagte ich trotz meines Respekts. »Du bist clever und furchtlos. Aber du bist nicht allwissend. Dieser Mann hat alles nur Erdenkliche verdientund wird es auch bekommen, aber nicht, indem du das Gesetz in die eigenen Hände nimmst. Einen Menschen zu töten ist falsch, und ich möchte nicht, dass du in so eine Sache hineingerätst.« Manchmal staune ich über die Schlichtheit der Kommunikation zwischen Menschen, die sich nahe sind. Ich bin mit hegelianischer Dialektik aufgewachsen, doch darin steckte keine Liebe.
    »Deswegen bist du mir da draußen hinterhergelaufen?«, fragte Twill, doch ich spürte, dass es ihm um etwas anderes ging.
    »Ich würde mein Leben geben, um dich zu beschützen«, beantwortete ich die unausgesprochene Frage.
    Twill saß neben mir auf der Bank und starrte mir in die Augen. Selten habe ich mich einem anderen Menschen näher gefühlt.
    Nach einer Weile nickte er.
    »Tut mir leid, Pops«, sagte er.
    Ich hielt ihm einen Zwanzig-Dollar-Schein hin und sagte: »Nimm ein Taxi nach Hause und leg die Pistole in den Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer.«
    »In Ordnung. Aber steck das weg. Ich hab mein eigenes Geld.«
    Es
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