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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Walter Mosley
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beauftragte dann Stumpy, einen Sündenbock zu finden. Zella. Dann geht Stumpy zu Harry Tangelo, sorgt dafür, dass er von der Bildfläche verschwindet und seine Frau einen Job bei Rutgers bekommt. Warum?
    Vielleicht wollte Seth Marryman Brighton als Tatverdächtigen aufbauen für den Fall, dass die hausinterne Ermittlung herausfand, dass Thorn nicht allein gehandelt hatte. Das war gerade blöd genug, um einen Sinn zu ergeben. Umgekehrt könnte Brighton das Gleiche mit Marryman gemacht haben.
    Zella war unschuldig. So viel wusste ich sicher. Odernicht? Gertie war der Anlaufpunkt für den Job gewesen, nicht ich. Sie war diejenige, die mir erzählt hatte, dass Stumpy jemandem etwas anhängen wollte. Sie wies mich auch auf Zella hin. Deswegen hatte ich die Banderolen ausgetauscht und das Lagerabteil mit einem neuen Schloss versehen. Nicht, dass ich Gertie misstraut hätte. Aber ich wollte sichergehen, dass Stumpy nicht irgendwann wiederkommen und einen üblen Trick abziehen würde, um sie – und mich – reinzureißen. Damals traute ich niemandem. Was, wenn Harry und Zella doch irgendwie in die Sache verwickelt gewesen waren? Nein. Dann hätte sie ihn verraten …
    Länger als eine Stunde ging ich mögliche Szenarien durch. Keines ergab viel Sinn. Das Einzige, was dabei herauskam, war die Einsicht, dass man auf nichts und niemandem vertrauen durfte – nicht mal der eigenen Erinnerung an das Geschehene.
    Mitten in diesem Sumpf nahm ich mir einen Augenblick Zeit, einen Versicherungsanruf zu machen. Manchmal sind die einzigen Menschen, denen du vertrauen kannst, deine erwiesenen Feinde.
    Um 12.57 Uhr summte die Klingel der Außentür. Mardi war auf ihrem Posten, also überließ ich die Sache ihr. Ein paar Sekunden später meldete sie sich über die Gegensprechanlage.
    »Vor der Tür steht ein Mann, den ich nicht kenne«, sagte sie.
    Ich zog meine unterste Schreibtischschublade auf und blickte auf die vier Monitore, die mit derselben Anzahl an versteckten Kameras verbunden waren, die die Eingangstür aus verschiedenen Winkeln im Blick hatten. Als ich sah, wer es war, drückte ich auf einen Knopf der Gegensprechanlage und sagte: »Twill soll aufmachen und unseren Gast zu mir führen.«
    Man weiß, dass es schlimm steht, wenn man ein neues Problem willkommen heißt, nur damit man das alte ignorieren kann.
    Es klopfte, und ich sagte: »Herein.«
    Twill stieß die Tür auf und wies Shelby Mycroft über die Schwelle.
    »Komm du auch rein, Junge«, sagte ich, als mein Sohn sich anschickte, wieder zu gehen. »Setzen Sie sich, Mr. Mycroft.«
    Twill wartete, bis unser Klient sich für einen Stuhl entschieden hatte, und nahm dann den anderen. Das war eine neue Erfahrung – praktische Berufsausbildung für meinen Sohn, während ich von einem zornigen Klienten einen Einlauf bekam.
    »Ich bin nicht glücklich mit Ihnen, Mr. McGill«, sagte Shelby.
    »Das kann ich verstehen.«
    »Ist das alles, was Sie zu sagen haben?« In seiner Stimme schwang eine Drohung mit.
    »Ihr Sohn ist ein Verbrecher«, sagte ich. »Die Polizei hat ihn verhaftet. Sie können nicht mich für seine Straftaten verantwortlich machen.«
    »Mirabelle hat mir erzählt, dass Mathers in Wirklichkeit Ihr Sohn Twilliam ist.«
    Ich warf Twill einen Blick zu. Kopfschüttelnd bestritt er, diese Information preisgegeben zu haben.
    »Und woher weiß sie das?«, fragte ich.
    »Von Kent. Er hat den Jungen erkannt.«
    »Ja«, sagte ich. »Er ist mein Sohn. Na und?«
    »Er ist selbst ein Verbrecher«, versuchte Shelby eine Art moralische Gleichheit herzustellen.
    »Was genau wollen Sie, Mr. Mycroft?«
    »Ihr Sohn ist ein freier Mann«, sagte er, hielt inne und erwartete, dass ich die Punkte, die er mir aufzeichnete, miteinander verband.
    »Wir sind hier nicht in Ihrem Vorstandszimmer, Bruder«, erwiderte ich, als der Mann von der Straße unter meiner Haut zum Vorschein kam. »Spucken Sie aus, was Sie wollen, oder gehen Sie.«
    »Ich habe mich umgehört«, sagte er. »Angeblich ist es Ihre Spezialität, Beweismittel zu manipulieren, um polizeiliche Ermittlungen zu torpedieren.«
    Ich guckte noch einmal zu Twill und sah, dass sein Blick sich gelangweilt trübte.
    »Ich habe einen Termin, Mr. Mycroft.«
    »Dann sagen Sie ihn ab.«
    »Sie haben zwei Minuten Zeit, etwas von Belang zu sagen, danach komme ich um den Schreibtisch herum und verpass Ihnen einen Arschtritt – und zwar einen kräftigen.«
    Ich legte meine Hände auf den Tisch. Ich habe große vernarbte Pranken. Diese
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