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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Walter Mosley
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aus der Tür. Sie trug eines seiner gelben Hemden und sonst nichts. Sie war eine umwerfende Frau. Das stellte ich ungefähr jedes dritte Mal fest, wenn ich sie sah.
    »Gut«, beantwortete Dimitri meine Frage.
    Ich ging an den jungen Liebenden vorbei.
    »Katrina?«, rief ich noch einmal.
    Unser Bett war nicht gemacht. Das war für mich ein ernsthafteres Warnzeichen als die drei Glockentöne meines nächtlichen Alarms. Katrina ließ ein Bett nie ungemacht. Sogar in Hotels und fremden Häusern strich sie die Decken glatt. Sie hätte auch ein Wartezimmer abgestaubt, wenn man ihr einen Lappen gegeben hätte.
    Zunächst einmal war ihre Haut sehr weiß, sodass sie in dem tiefroten, lauwarmen Badewasser aussah wie ein toter Schwan.
    »Dimitri!«, brüllte ich.
    Ich hatte meine Arme schon unter ihren Körper geschoben und hob sie aus der Wanne. Die Wassertropfen wirkten auf den Fliesen fast violett.
    »Dimitri!«
    Ich hörte seinen ersten schweren Schritt auf dem Holzboden. Ich versuchte, einen Pulsschlag zu fühlen, doch mein eigenes Herz schlug zu schnell, um zu spüren, was ihre kleine Vene hergab.
    »Dimitri!«
    »Mom!«, schrie er, als er durch die Badezimmertür kam und die Arme nach der komatösen Frau ausstreckte. Ich wich vor seiner Wucht zurück.
    »Dimitri!«, rief Tatyana. Sie war auf seinen Rücken gesprungen und hatte ihren Unterarm um seinen Hals gelegt. Sie hielt ihn im Würgegriff und sagte: »Lass deinen Vater machen. Er muss die Blutung stoppen.«
    Mein Sohn ließ von mir ab und sank auf die Knie. Mit einem Badelaken trocknete ich die Haut um die tiefen Schnitte an ihren Handgelenken.
    »Ruf den Notarzt an«, sagte ich zu der Weißrussin.
    Sie rannte aus dem Bad.
    »Mom!«, brüllte Dimitri. »Mom!«
    Ich schmierte Salbe auf die Wunden, wickelte den Verband zunächst um die Handgelenke und dann als Aderpresse um die Unterarme unterhalb der Ellbogen.
    »Fest zudrücken«, sagte ich zu Dimitri und wies auf ihre Handgelenke. »Drück fest auf die Wunde.«
    Er rutschte auf den Knien durch das blutige Wasser und gehorchte.
    Tatyana kam atemlos zurück. Sie sagte nichts. Dasmusste sie auch nicht. Während Dimitri Katrinas Arme hielt, schmiegte ich mich an ihren Alabasterkörper, um sie warm zu halten.
    »Hast du die Wohnungstür aufgelassen?«, fragte ich Tatyana.
    Sie nickte und starrte mit hartem Blick auf die möglicherweise tote Frau in meinen Armen.

57
    Das Warten verlief seltsam friedlich. Tatyana hockte sich neben mich und drückte ihre Finger an Katrinas Hals.
    »Ich glaube, ich kann einen Puls spüren«, sagte sie zu Dimitri. »Sie lebt.«
    Die Wangen meines Sohnes zitterten. Er war immer noch auf Knien und hielt die Handgelenke seiner Mutter. Ich hätte mir vielleicht Sorgen um ihn gemacht, wenn ich nicht in einen Dämmerzustand versunken wäre, in dem meine einzige Realität die Wärme meines Körpers und die Übertragung auf ihren war. Mir schien, dass Stunden vergingen, bis wir ein Klopfen aus dem Flur hörten. Wenn weitere Killer kamen, waren ich und meine Familie tot.
    »Hier hinten!«, rief Tatyana. »Wir sind hier hinten!«
    Das Krankenhaus, in das wir gebracht wurden, hieß Schwester des geweihten Herzens. Es war kaum mehr als eine Ambulanz in der 112 th Street, doch das Personal war professionell und schien für den Notfall gerüstet.
    Helen Bancroft traf zur selben Zeit ein wie wir. Tatyana hatte sie angerufen. Ich fragte sie nie, wie sie auf den Namen gestoßen war. Helen erklärte uns, dass es ein doppeltes Wartespiel war.
    »Zuerst muss sie die Nacht überleben«, sagte sie, »und dann müssen wir hoffen, dass kein permanenter Schaden zurückbleibt.«
    Dimitri saß auf einem Stuhl und hielt mit seinen großen Händen den Metallrahmen des Bettes umklammert. Tatyana stand hinter ihrem Mann, die Hände auf seine breiten Schultern gelegt, das Kinn auf seinem Hinterkopf.
    Ich erkannte den Schmerz, den mein Sohn durchlitt. Zum ersten Mal begriff ich, dass seine mürrische Veranlagung nur seiner außergewöhnlichen Sensibilität zuzuschreiben war. So groß und brutal er aussah, war Dimitri im Grunde zart, sogar zerbrechlich. Die zierliche Ex-Prostituierte, die ihn streichelte, war die Kraft, die er brauchte, um in dieser Welt zu überleben.
    »Daddy«, schluchzte Shelly, als sie in das Einzelzimmer kam. Sie trug ein regenbogenfarbenes Kleid, das ihre schlanke Figur betonte. Ich trat zur Seite, damit sie ihre Mutter sehen konnte.
    »O nein«, rief sie und stürzte an Katrinas Seite.
    »Hey,
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