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Man tut, was man kann (German Edition)

Man tut, was man kann (German Edition)

Titel: Man tut, was man kann (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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fahren. Das wird auch Zeit, weil Konrad sich nicht nur zum Halbgott stilisiert, sondern auch den Umstehenden das Gefühl gibt, sein jüngerer Bruder sei der größte Versager aller Zeiten.
    «Ist das eigentlich ein Toupet?», höre ich Schamski fast nebenbei fragen, woraufhin Konrad abrupt erschrocken verstummt. Einen Moment herrscht atemlose Stille. «Ich frage mich das nur, weil man es praktisch nicht erkennen kann», tritt Schamski seelenruhig nach. «Wenn es also ein Toupet ist, dann ist es eine richtig, richtig, richtig gute Arbeit.»
    Wieder ist es still.
    «Vielen Dank», sagt Konrad dann völlig tonlos.
    Schamski nickt, lächelt gewinnend und streicht kurz über seine Halbglatze. Es könnte eine Geste der Verlegenheit sein, aber es ist natürlich blanke Provokation. In diesem klammen Moment treffen glücklicherweise weitere Gäste ein. Es sind Sandra und Lin in Begleitung dreier Iren. Kevin, Brian und Ken sind ebenfalls Programmierer. Günther hat mir schon von ihnen erzählt, er hat sie bei einem Job in Dublin kennengelernt. Die drei betreiben auf der grünen Insel eine Firma, die sich auf die Programmierung von Warenwirtschaftssystemen spezialisiert hat. Ursprünglich hausten sie zur Miete im Hinterzimmer eines Pubs, inzwischen haben sie die Kneipe gekauft und haben mit ihrer Firma vom Hinterzimmer bis kurz vor die Theke expandiert. Knapp vierzig Leute zählt das Unternehmen heute, die meisten Mitarbeiter wurden direkt aus den Reihen der Kneipenstammgäste rekrutiert. Augenzeugen behaupten, dass ab dem späten Nachmittag die Gäste des Pubs und die Mitarbeiter von Kevin, Brian und Ken nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.
    Günther nutzt das Auftauchen seiner irischen Freunde, um sich aus der Umklammerung seines Bruders und seiner Familie zu befreien. Iggy hat die gleiche Idee und begrüßt Sandra und Lin überschwänglich.
    Zurück bleiben Schamski und ich mit Günthers und Iggys Verwandten.
    «Und Sie sind also in der Versicherungsbranche», sage ich zu Konrad. «Ich finde das sehr interessant.» Im nächsten Moment bedauere ich die Bemerkung bereits, denn Konrad nickt und holt Luft für einen vermutlich mehrstündigen Vortrag.
    Zwanzig Minuten später, Konrad erklärt mir gerade ausführlich die gängigen Provisionsmodelle in der Versicherungsbranche, wofür er hoffentlich ewig in der Hölle braten wird, erscheinen weitere Gäste. Es sind Freundinnen von Iggy, die ein Modelabel betreiben. Die eine ist gekleidet wie Judy Garland im «Zauberer von Oz», die andere trägt eine Art enggeschnittenen Mao-Anzug und einen wagenradgroßen Blumenhut. Beide Outfits gehören zur aktuellen Kollektion mit dem schönen Namen «Shattered Dreams». Ich verkneife mir jeglichen Witz darüber.
    Wenig später erscheinen noch Pete Douglas und Don Spencer, die sich mir als CIA-Agenten vorstellen. Ich vermute, die beiden sind durchgeknallte Spielefreaks oder Hacker mit ausgeprägtem Sinn für Humor. Später erklärt Günther mir, dass es sich tatsächlich um CIA-Agenten handelt. Die Amis haben rausbekommen, wer das Internet in Deutschland abgestellt hat. Zuerst wollten sie Günther deshalb auf eine Militärbasis verschleppen, dann aber haben sie verstanden, dass ihn keine politischen, sondern allein amouröse Gründe getrieben haben.
    «Du hast sie eingeladen, obwohl sie dich verschleppen wollten?»
    «Du, das war nur ’n Missverständnis. Eigentlich sind sie ganz nett. Außerdem sind sie fremd in der Stadt. Und sie geben mir vielleicht ’n Job. Ich soll den Amis nämlich zeigen, wie man das Internet vor Leuten wie mir schützen kann.»
    Leider komme ich nicht dazu, Günther zu erklären, dass er bekloppt ist, weil Iggy ihn in diesem Moment am Arm packt und mit sich zieht.
    Das Unwetter hat inzwischen nachgelassen. Ich brauche mal kurz meine Ruhe und möchte mir außerdem die Beine vertreten. Die Abendluft ist kalt und klar. Schamski steht etwas abseits, er hatte wohl dieselbe Idee. Er raucht, hält mir die Packung hin. «Oder hast du etwa ausnahmsweise welche dabei?»
    Ich schüttele den Kopf, nehme eine Filterlose und zünde sie an. Eine kurze Weile stehen wir einfach nur da und rauchen. Dann öffnet sich die Tür, und Frau Hoffmann erscheint, sie wirkt besorgt, hält ein Zettelchen in die Höhe.
    «Entschuldigen Sie, aber das Büfett ist seit fast zwanzig Minuten überfällig. Vielleicht könnten Sie da mal anrufen, drinnen ist es zu laut. Ich hab hier für den Fall der Fälle eine Nummer …»
    Ich ziehe mein
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