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Man tut, was man kann (German Edition)

Man tut, was man kann (German Edition)

Titel: Man tut, was man kann (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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gegangen sind.
    «Mir geht’s nich gut», sagt Schamski ins Halbdunkel.
    «Besoffen?», vermute ich.
    «Auch. Aber eher so allgemein.»
    «Was heißt eher so allgemein?», frage ich leicht besorgt.
    «Weiß nich», sagt Schamski.
    Hört sich seltsam an. «Alles okay?», hake ich nach.
    Keine Antwort.
    «Hey! Guido! Alles okay?»
    «Weiß nich», erwidert Schamski. «Nein. Ich glaub nicht. Ich glaub, ich krieg gerade ’n Herzinfarkt.»
    «Schamski?», sage ich ungläubig.
    «Ruf bitte mal schnell ’n Notarzt.» Schamski schnappt nach Luft, greift sich leicht panisch an den linken Arm.
    Es dämmert, als auch Bronko im Krankenhaus eintrifft. Ich stehe gerade am Automaten und ziehe zum wiederholten Mal braunes Zeug, das angeblich Kaffee sein soll.
    «Wie geht’s ihm?»
    «Keine Ahnung», erwidere ich. «Mir hat noch niemand was gesagt. Möchtest du auch?» Ich hebe den braunen Becher mit der braunen Brühe hoch, Bronko schüttelt den Kopf, lässt sich dann auf eine der umherstehenden Kunststoffbänke fallen.
    «Glaubst du, er hatte wirklich einen Herzinfarkt?»
    Ich zucke mit den Schultern. «Im Krankenwagen ging es ihm ziemlich dreckig. Als sie ihn verkabelt hatten, hörte sich sein Herzschlag an wie ’ne Samba-Truppe. Und der Notarzt machte auch nicht den Eindruck, als würde es sich nur um ’ne Magenverstimmung handeln.»
    Bronko nippt probeweise an meinem Kaffee, verzieht das Gesicht. «Wahrscheinlich war es ein Infarkt. Ich meine, Guido säuft, raucht, macht einen anstrengenden Job, dafür keinen Sport, und ein geregeltes Leben führt er auch nicht.»
    «Übergewicht hast du vergessen», sage ich.
    «Stimmt», nickt Bronko. «Eigentlich kenne ich niemanden, der mehr Anspruch auf einen Herzinfarkt hat als Schamski.»
    Als etwas später die Cafeteria öffnet, können wir von brauner Brühe in braunen Bechern auf braune Brühe in weißen Tassen umsteigen. Theoretisch gäbe es auch Tee, aber momentan sind der dicken Bedienung die Teebeutel ausgegangen. «Sie können Früchtetee haben.»
    «Früchtetee ist kein Tee», sage ich. «Früchtetee ist fruchtiges Wasser.»
    «Also kein Früchtetee», sagt die Bedienung völlig unbeeindruckt.
    In einer Ecke der Cafeteria steht ein Fernseher, der Ton ist stumm gestellt, es laufen Nachrichten. Noch drei weitere Male werde ich diese lautlosen Nachrichten im Laufe der nächsten zwei Stunden sehen, dann stellt sich uns ein junger Arzt vor und erklärt, wir könnten jetzt kurz mit Schamski reden, vorsichtig, weil er einen Herzinfarkt hatte, einen leichten zwar, aber eben doch einen Herzinfarkt.
    Schamski sieht blass aus, blasser fast als die blassen Wände um ihn herum.
    «Danke, dass ihr auf mich gewartet habt», sagt er. «Aber ich kann noch nicht weg. Ich will mir einen Stent ins Herz einbauen lassen, sonst muss ich nämlich mit dem Rauchen aufhören.»
    «Interessant», sagt Bronko ungerührt. «Gibt es da jetzt doch einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Herzinfarkt?»
    Schamski grinst matt. «So weit ist die Medizin heute noch nicht. Es gibt allerdings Studien, die nahelegen, dass frische Äpfel wohl keine Herzinfarkte verursachen.»
    «Wow», sage ich. «Das ist ja mal ’ne gute Nachricht. Ich hab es mir zwar sowieso abgewöhnt, war aber früher auf dreißig, vierzig Äpfel am Tag, auf Partys sogar noch mehr.»
    Schamski muss lachen. Und dann husten. Bronko und ich erschrecken ein wenig, aber dann beruhigt Schamski sich wieder.
    «Danke, dass ihr geblieben seid», sagt er nach einer Weile. Bronko und ich nicken ein wenig, jetzt nur keine Sentimentalitäten, das mag der Patient nämlich nicht.
    Schamski richtet sich ein wenig auf. «Erinnert ihr euch noch an den Abend, als Bronko mich fragte, was ich wohl tun würde, wenn ich nur noch eine Stunde zu leben hätte?»
    Wieder nicken wir.
    «Ich kann es euch jetzt sagen», fährt Schamski fort.
    «Da bin ich aber gespannt», sagt Bronko.
    «Da sind wir beide gespannt», ergänze ich.
    «Nichts», sagt Schamski lächelnd.
    «Nichts?»
    Schamski nickt. «Genau. Wenn ich nur noch eine Stunde zu leben hätte, dann würde ich absolut nichts tun.»

GEHÖRT DAS IHNEN?
    Wenig später kam die Zeit der Abschiede.
    Bronko beschloss, Juttas Einladung zu einer mehrmonatigen Reise durch China anzunehmen. Inzwischen hatte Jutta sich zwar von ihrem Mann getrennt, Bronko blieb jedoch dabei, dass die Verbindung zu Jutta rein spiritueller und mitnichten körperlicher Natur wäre.
    «Schon klar, aber vögelt ihr denn wenigstens?», hatte
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