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Man tut, was man kann (German Edition)

Man tut, was man kann (German Edition)

Titel: Man tut, was man kann (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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Kissen sinken.
    Worüber beklage ich mich eigentlich?
    Darüber, dass es so gekommen ist, wie es kommen musste?
     
    Kathrin hatte doch bereits bei unserer ersten Begegnung unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie mich nach ein paar kurzen psychologischen Eignungstests in Form einiger Abendessen flachlegen würde, um mein Profil auch in erotischer Hinsicht zu komplettieren und im Fall der Fälle umgehend eine gemeinsame Zukunft in Angriff zu nehmen. Ich vermute übrigens, für diese gemeinsame Zukunft gibt es bereits einen detaillierten Plan, ich dürfte nach erfolgreicher Abschlussprüfung aber vielleicht noch Änderungsvorschläge machen.
    Als Kathrin jedenfalls ein paar Tage zuvor ihre Hand in die meine schob, sich mit «Hi, ich bin die Kathrin» vorstellte und dabei oberhalb eines adretten blassgrauen Kostüms ihr strahlendstes Lächeln anknipste, wusste ich sofort, dass ich fällig war. Eine Frau Ende dreißig, die sich für eine drittklassige Vernissage in Schale wirft, als müsste sie danach noch für den Chefposten der New York Stock Exchange kandidieren, ist entweder eine erfolglose Galeristin oder auf der Suche nach dem Mann fürs Leben.
    Kathrin war, wie sich etwas später herausstellte, keine Galeristin, hatte aber eine besondere Beziehung zu dem ausstellenden Maler, einemdünnen, langhaarigen Mann mit dem beknackten Künstlernamen «Bronko».
    Ich verstehe praktisch nichts von bildender Kunst, aber irgendwie wurde ich beim Betrachten der weiblichen Aktzeichnungen, die das Gros der Exponate ausmachten, das Gefühl nicht los, dass Bronko offenbar noch nie eine Frau nackt gesehen hatte. Eigentlich dachte ich schon beim Betreten der Galerie, dass dem Künstler beide Hände abgehackt gehörten. Und genau genommen handelte es sich auch nicht um eine Galerie, sondern um eine renovierungsbedürftige Wohnung, die mit ein paar Strahlern und Stehtischen als Galerie getarnt worden war. Dennoch präsentierten sich die Initiatoren selbstbewusst, die Kaufpreise der Bilder zusammengenommen überstiegen den Wert des Hauses, in dem sie hingen, um ein Vielfaches.
    Ich stellte mir gerade vor, wie zwei Kunstsachverständige, die die Exponate aus versicherungstechnischen Gründen zu taxieren hatten, angesichts der ausgewiesenen Preise lachten, bis ihnen die Tränen in die Augen schossen, als mich jemand ansprach.
    «Hallo. Wie gefällt Ihnen meine Ausstellung?»
    MEINE Ausstellung? Offenbar stand ich Bronko höchstpersönlich gegenüber. Im Eingangsbereich hing ein großformatiges Foto von ihm, darauf war er in nachdenklicher Pose zu sehen, er blickte zu Boden, seine langen Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten es größtenteils. Der Grund dafür wurde mir nun schlagartig klar. Bronkos Blick glich auf erschreckende Weise dem von Marty Feldman, wobei ich schwöre, Bronko schielte wesentlich schlimmer. Er schielte so schlimm, dass ich die damit verbundene unmenschliche Anstrengung am eigenen Leib zu spüren glaubte und für einen Moment befürchtete, gleich aus Solidarität mitzuschielen.
    Da ich aber immer noch nicht wusste, ob Bronko die Gruppe zu meiner Linken angesprochen hatte oder ein etwas weiter rechts stehendes Pärchen, versuchte ich es mit einem Lächeln.
    Er verharrte und verstärkte meinen Verdacht, dass er tatsächlich mit mir sprach. Also, gute Frage, wie gefiel mir seine Ausstellung?
    Um niemandem wehzutun, also eigentlich, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, habe ich mir angewöhnt, in solchen Fällen dem Künstler nicht die volle Wahrheit zu sagen und gleichzeitig unter Beweis zu stellen, dass ich im Prinzip ungebildet und im besonderen Fall sachfremd bin. Ich nenne das «glücklicher Idiot spielen», es hat mir schon über viele kritische Situationen hinweggeholfen. Kein Künstler kann im Moment seines vermeintlich größten Triumphes, also beispielsweise anlässlich einer Hängung seiner erotischen Phantasien in einer Abbruchbude, mit Kritik umgehen. Selbst der Hauch eines Zweifels an seiner Genialität würde stundenlange Diskussionen nach sich ziehen. Wittert ein Künstler obendrein, dass man auch nur ein bisschen von Kunst verstehen könnte, wird er nicht ruhen, bis man die Handschrift zumindest eines Genies in seinen Werken entdeckt hat. Das gilt übrigens für Künstler aller Gattungen. Man muss sich deshalb einerseits begeistert und andererseits bescheuert geben.
    «Ausgezeichnet», log ich also schamlos, «ich bin zutiefst beeindruckt. Ich gehe eigentlich selten auf Vernissagen, also
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