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Man tut, was man kann (German Edition)

Man tut, was man kann (German Edition)

Titel: Man tut, was man kann (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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zu urteilen, muss sie dann auch irgendwann den Spaß an Mode verloren haben. Vor rund einem Jahr hat sie mit zwei Freundinnen das Pan Tao aufgemacht, eine Eckkneipe, die nach der Renovierung nun ein Eckbistro ist. Man ersetzte die dunklen Hölzer durch helle, strich die Wände strahlend weiß und verpasste dem Raum mit ein paar hippen Ausstattungsstücken und einem mächtigen Kronleuchter Großstadtflair. Die wenigen Stammgäste, vornehmlich trunksüchtige Schwadroneure, suchten sich eine andere Siffbude und machten einem jungen, urbanen Publikum Platz, welches aber in Windeseile die Lust am Pan Tao verlor. Iggy und ihre Freundinnen hatten nämlich versucht, die kostspielige Renovierung durch Sparmaßnahmen bei den Getränken und beim Essen wettzumachen. Als sich im Viertel herumgesprochen hatte, dass der Wein im Pan Tao Kopfschmerzen verursachte, die denen von Granatsplitteropfern im Ersten Weltkrieg nicht unähnlich waren, und das Essen im günstigsten Fall schwere Übelkeit, im schlechtesten den sofortigen Tod herbeiführte, kam man auf die rettende Idee, das gastronomische Angebot in Stadtteile zu exportieren, wo noch nicht bekannt war, dass selbst streunende Hunde sich von den Mülltonnen des Pan Tao fernhielten.
    Das Ganze nannten Iggy und ihre Freundinnen «Catering-Service».
    Es war der rettende Einfall, denn zu diesem Zeitpunkt hatte das Pan Tao noch genau zwei Gäste, nämlich Günther und mich. Mir ist bis heute schleierhaft, wie es möglich ist, in einer menschenleeren Kneipe NICHT mit der Kellnerin ins Gespräch zu kommen, aber Günther schaffte es irgendwie. Obwohl ich mein Bestes tat, ein Gespräch zwischen Iggy und Günther in Gang zu kriegen, beschränkte sich die Konversation immer nur auf ein paar einsilbige Bemerkungen, dann schlenderte Iggy zurück zum Tresen, zündete sich eine Zigarette an und langweilte sich mit einer Illustrierten. Als ich mich irgendwann weigerte, alle paar Tage im Pan Tao zu dinieren, denn dann hätte ich meine Ernährung auch gleich auf Rattengift umstellen können, suchte Günther den Laden alleine auf, setzte sich an den Tresen, las die Zeitung und tat so, als würde er auf diese Weise den Feierabend einläuten.
    An einem dieser Abende kam es dabei zu einem Moment knisternder Erotik, der im Leben von Günther wohl als historisch bezeichnet werden muss. Günther hatte seine Geldbörse vergessen und war schon drauf und dran, sich aus Scham zu entleiben, als Iggy locker abwinkte und sagte: «Lass stecken, ich schreib’s an.»
    Mehrere Stunden brütete Günther über dem geheimen Sinn dieser Worte, derweil er sich diverse Alkoholika in den Kopf schüttete, dann rief er mich an, es war so gegen halb vier morgens.
    «Lass stecken? Ich schreib’s an? Deswegen holst du mich aus dem Bett, Günther?»
    «Ich glaub, sie mag mich, sie lässt ja bestimmt nicht jeden anschreiben, oder?», entgegnete Günther mit schwerer Zunge.
    «Günther, du bist der einzige Gast, den sie haben. Ob ein zweiter auch anschreiben lassen dürfte, wenn es ihn gäbe, kann ich dir nicht sagen.»
    Eine kurze Pause entstand, ich hörte mehrfaches Schlucken, Günther stürzte offenbar einen Drink hinunter.
    «Was trinkst’n da?»
    «Red Bull mit Ramazotti.»
    «Jesus Christus.»
    «Schmeckt gut.»
    Wieder machte Günther eine Pause, diesmal dachte er offenbar nach.
    «Glaubst du, ich habe eine Chance bei ihr?», fragte er dann.
    Ach, Günther! Was soll ich denn darauf antworten? Ich weiß es nicht. Ich brauch schon ein paar mehr Anhaltspunkte als «Lass stecken, ich schreib’s an». Frag sie, ob sie mit dir essen geht. Oder ins Kino. Vielleicht gibst du dich auch einfach damit zufrieden, abends mit ihr die Zeitung zu lesen, das klingt ja schon nach einer ziemlich passablen Ehe.
    Ich sah Günther vor mir, traurig in seinem winzigen Apartmenthockend, umringt von leeren Flaschen, Kabelgewirr und technischem Gerät.
    «Na ja, es ist ein Anfang», sagte ich.
    «Findest du wirklich?» In seiner Stimme schwang Hoffnung.
    Nein, fand ich definitiv nicht, aber ich wollte ihn aufmuntern.
    «Ja, finde ich wirklich.»
    «Gut», sagte er, und für den Moment schien er zufrieden. Ein paar Tage später erfuhr Günther zufällig, dass das Pan Tao ein Catering für eine Vernissage ausrichten würde. Das nächste magische Zeichen war ihm damit erschienen.
    Günthers Plan war, die Vernissage zu besuchen und dabei wie zufällig Iggy zu begegnen, um einerseits ein paar Worte zu wechseln und andererseits Gesprächsstoff für
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