Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Man Down

Man Down

Titel: Man Down
Autoren: André Pilz
Vom Netzwerk:
Kerl haben sie kurz darauf den Dackel vergiftet. Ich hab ihn gefunden, den Dackel, im Keller, als ich Wäsche waschen wollte, und hab ihn in die Biotonne geschmissen. Ich wollte dem Riesen den Anblick ersparen, und zum Verbuddeln gibt’s bei uns nix. Leider fand er den Kadaver dann doch noch, als er die Tonnen zur Straße bringen wollte. Ich sah es zufällig vom Fenster aus. Er holte den Hund heraus, befreite sein Fell von Bananen- und Eierschalen, schaukelte ihn in seinen Armen wie ein Baby. Scheiße, da ist’s mir eiskalt den Rücken runter. Ich beneidete den Hund. Kein Mensch der Welt hätte mich so liebevoll aus der Biotonne geholt.
    Ich bin müde, so müde, aber ich kann nicht schlafen. Sie lassen mich nicht schlafen. Sie singen von Juden, die sie in ihre Messer flutschen lassen wollen. Vom dreckigen Zigeunerpack, das auf den Scheiterhaufen gehört. Ich ziele mit dem Zeigefinger meines ausgestreckten rechten Arms hoch zur Decke und wünsche mir, es wäre eine Knarre.
    Ich würde denen allen ein zweites Loch in den Arsch schießen, ich schwör. Hätte ich eine Knarre, ich würde da rauf und sie durch die Wohnung jagen und aus dem Fenster springen lassen, eine braune Schwuchtel nach der anderen, und sie dann in die Biotonnen im Hinterhof stecken.
    ***
    Ich sah die Kleine mit der Frisur auf der Straße, als ich gerade mit einer Bierkiste vom Getränkemarkt kam. Ich sah sie vor der Auslage eines Schmuckgeschäfts in der Nähe vom Gärtnerplatz, sie stand da vor dem Schaufenster, trug einen grauen Einteiler, der ihr nur knapp über den Hintern reichte, schwarze Stiefel und halterlose Strümpfe. Sie ging weiter, ohne sich umzusehen. Erst folgte ich ihr mit der Kiste, stellte sie dann aber auf eine Treppe in einer Hauseinfahrt, als sie mir zu schwer wurde. Ich hielt Abstand, ohne die Kleine auch nur für einen Augenblick aus den Augen zu lassen.
    Sie spazierte herum, sah in Schaufenster, kaufte sich eine Zeitschrift in einem Kiosk und quatschte auf dem Gehsteig mit einer älteren Frau. Fast eine Stunde lang verfolgte ich sie.
    Vor einer Bankfiliale in der Fraunhoferstraße blieb sie plötzlich stehen, drehte sich um und – wartete auf mich. Ich wollte sofort über die Straße, aber da war zu viel Verkehr.
    „Was versprichst du dir davon?“, rief sie.
    Ich drehte mich um, als wüsste ich nicht, mit wem sie sprach.
    „Mensch, sei nicht kindisch, du!“
    Mir blieb nichts anderes übrig, als zu ihr zu gehen.
    „Was immer du vorhast, vergiss es“, sagte sie.
    „Schade.“
    Ihr Blick war traurig und müde. „Was willst du von mir?“
    „Dass du mit mir auf ein Bier gehst.“
    „Auf ein Bier?“
    „Ja. Lass uns was trinken!“
    Sie sah auf das Display ihres Handys. „Es ist erst halb 11!“
    „Für n Bier ist es nie zu früh.“
    „Bier stinkt.“
    „Ich hab ne ganze Kiste hier in der Nähe geparkt.“
    „Dann lass sie ruhig stehen.“
    „Mach einen besseren Vorschlag.“
    „Latte Macchiato?“
    „Oh Gott, nein!“
    „ …?“
    „Was trinkst du, wenn du trinkst ?“
    „Wodka-Lemon.“
    „Okay. Okay! Wodka-Lemon. Ich lade dich ein! Lass uns Wodka-Lemon trinken.“
    „Aber doch nicht jetzt …“
    „Komm! Komm mit!“
    Sie zuckte mit den Schultern. Ich mochte ihre Stimme. Ihren österreichischen Dialekt. Ihre winzig kleinen Sommersprossen auf dem sonnengebräunten Gesicht.
    „Shit“, sagte ich, als wir ein paar Schritte gegangen waren und mir eingefallen war, dass ich höchstens noch ein paar Centstücke in der Tasche hatte. „Ich habe meine Geldtasche vergessen.“
    „Tja“, sagte sie und stemmte ihre Hände in die Hüfte.
    „Willst du nicht doch n Bier? Ich hab ne ganze Kiste, ich schwör.“
    Sie musterte mich. Sie wollte ernst bleiben, aber sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    „Warte hier“, sagte sie. „Ich wollte sowieso gerade was abheben. Ich lade dich ein.“
    Sie verschwand im Vorraum der Bank. Im Vorraum meiner Bank. Der Bank, der ich Kohle schuldete. Der Bank, die mich mit Briefen und Anrufen bombardierte. Ich sah mein Spiegelbild in der Scheibe und schämte mich. Shane hatte Recht. Meine Klamotten gehörten verbrannt. Ich glotzte auf die ausgewaschene Jeans, bis ich bemerkte, dass der Fuzzi hinter dem Schalter mich anstarrte und dann losfetzte. Ich humpelte davon, ich hatte einen kleinen Vorsprung, denn der Fuzzi musste einen Umweg über einen Nebenraum machen. Ich bog in die nächste Seitenstraße links ab und blickte erst zurück, als ich ihn rufen hörte: „ HERR
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher