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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Autoren: Tonino Benacquista
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zwei Stunden durch die Gegend. Dabei dachte er an seine Frau und seine beiden Töchter, die er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Und er dachte an seine Kumpel, mit denen er am Abend ordentlich die Sau rauslassen wollte. Doch dann kam er in einem öden Kaff vorbei. Und auf der Hauptstraße dieses verlassenen Kaffs gab es eine kleine Bank, die, wie er sich ausdrückte, » die Hand nach ihm ausstreckte « .
    War es Heißhunger nach so vielen Jahren erzwungener Enthaltsamkeit? Jedenfalls blieb Joey eine Stunde lang im Wagen sitzen und verschlang die unschuldige kleine Bank mit den Augen. Eine Stimme sagte ihm: » Fahr weiter, du Idiot, du weißt genau, wie es enden wird. Denk an deine Mädchen. Willst du sofort wieder im Knast landen? « Aber eine andere Stimme riet ihm: » Schau, wie schön sie ist! Wenn du dir diese Gelegenheit entgehen lässt, wirst du es dein ganzes Leben bereuen. « Schließlich siegte die Versuchung. Keine zwei Tage später saß er wieder in der Zelle, um seine Strafe als Wiederholungstäter abzusitzen. Suchtkranken wie Joey war nicht zu helfen. Früher oder später endete es immer böse für sie.
    Als Tom an der größten Bank von So Long vorbeimarschierte, die am Place de la Libération lag, beobachtete er durch die Fensterscheibe etwas Merkwürdiges: Da stand unser Joey hinter einem Schalter und trat wie ein Berserker auf eine Verbindungstür ein. Der Gute hatte wohl wegen seiner unheilbaren Krankheit jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Tom bekam fast Mitleid mit ihm, bevor er ihn abknallte. Ob für Ganoven wie Joey der Überfall wichtiger war als die Beute? Ob die starken Emotionen mehr zählten als das Geld?
    Hundertmal hatte ich mit Tom diese Diskussion führen müssen. Und jedes Mal sollte ich zugeben, dass ich nur wegen des Adrenalinkicks ein Goodfella geworden bin. Wie ein Spieler im Kasino, der immer den gleichen Kick empfindet, ob er gewinnt oder verliert. Ich aber habe ihm geantwortet: » Es geht nur ums Geld. Das ist unsere einzige Antriebskraft. « – » Aber wie kann man nur so ins Geld vernarrt sein? « , fragte er. Ich versuchte ihm zu erklären, dass wir primitiven Rohlinge von der Cosa Nostra eben vom Geld besessen sind. Aber wie erklärt man eine Leidenschaft? Die Vorstellung war wunderbar, dass unser Geldhaufen jeden Tag ein bisschen wuchs, bis er so hoch war, dass wir bald einen zweiten anlegen mussten. Gut, ich gebe zu, ab und zu haben wir mit dem Geld auch etwas gekauft, wir wollten unseren Familien eine Freude machen. Aber das war nicht der Sinn des Spiels. Übrigens hat sich niemand beim Geldausgeben so bescheuert angestellt wie wir. Die Sachen mussten auffallen, sie mussten funkeln und glitzern, aus Gold sein – und alles andere als billig. Je teurer, desto besser.
    Komischerweise waren wir aber genauso versessen darauf, Sachen umsonst zu bekommen. Das war neben dem Geld unsere zweite Leidenschaft: reich beschenkt zu werden, Sachen einzusammeln, die von LKWs gefallen waren, oder in Naturalien bezahlt zu werden – ob wir damit etwas anfangen konnten oder nicht. Wenn wir von einem Typen, dessen Pizzaservice gut lief, Schutzgeld erpresst hatten, fuhren wir mit ein paar tausend Dollar in bar, aber auch mit zwei, drei Pizzen für unterwegs nach Hause. Das Gleiche galt für Pelzhändler und Verkäufer von sanitären Anlagen. Am Ende landete der ganze überflüssige Schrott natürlich auf dem Müll. Tom verstand das nicht. » Eines Tages verfault ihr alle im Knast. Ist das die Sache wert? Oder ihr bekommt eine Kugel zwischen die Augen. Und eure Familien gehen zugrunde. « Ich gab es auf, ihm die Sache zu erklären. Für den Bullen war das zu hoch. Für mich eigentlich auch.
    Joey jedenfalls starb, nachdem drei Kugeln seinen Bauch durchlöchert hatten. Und er starb genau in dem Augenblick, als die Tür endlich nachgab, die ihn von Gott weiß was getrennt hatte. Tom traf mich auf dem Place de la Libération wieder. Ich wartete auf einem Pferdchen des Kinderkarussells, das sich wieder drehte.
    *
    Bis zum Abend hatte sich So Long in den Mittelpunkt der Welt verwandelt. Mir kamen albtraumhafte Erinnerungen an meinen Prozess. Eine Armada von Journalisten, die von überall her gekommen waren, interviewte jeden, den sie zu fassen kriegten. Den Politiker, den stillen Beobachter, den Intellektuellen, den VIP, den Schlagersänger, und natürlich auch den Mann von der Straße, den sie auf der Straße fanden und der ganz dringend seine Meinung äußern musste. Zu meinem Leben, zu
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