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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall
Autoren: Dieter Woelm
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mich nicht in Ruhe lassen?«
    Doch im gleichen Augenblick tat mir die Kreatur leid, die sich da abstrampelte, nur für mich, nur weil ich meinen Namen im Main verloren hatte. Ich fing nun selbst an, mit den Armen zu rudern, merkte, dass uns die Strömung ein Stück weit mit sich trug, ruderte kräftiger, um ans Ufer zu gelangen, erwischte endlich einen Weidenzweig, der über der Uferböschung hing, klammerte mich daran fest, zog mich hoch, kniete auf dem feuchten Ufer, während der Dackel einige Meter weiter flussabwärts an Land sprang.
    Kein Mensch war da, nur dieser struppige Rauhaardackel, der mich nicht aus den Augen ließ. Stolz lag im Blick des Vierbeiners. Er musterte mich, sah mich lange an, schüttelte sich und kletterte über die Böschung nach oben. Ich fror erbärmlich und wünschte mich wieder in den Main zurück. Dort hätte ich wenigstens die Kälte bald nicht mehr gespürt. Aber in diesem Zustand musste ich unbedingt einen Unterschlupf finden.
    Der Hund schien dazu eine Idee zu haben. Er lockte mich an der Uferpromenade entlang bis zum Floßhafen, wo einige wenige Boote lagen, die von ihren Besitzern noch nicht ins Winterquartier gebracht worden waren. Immer wenn ich stehen blieb, fing der Hund an zu knurren und zu winseln und an meinem Hosenbein zu zerren. Endlich sprang er vor mir auf einen Bootssteg und von dort auf ein Motorboot, das mit einer blauen Persenning abgedeckt war. Im nächsten Augenblick war er darunter verschwunden.
    So hast du das also gemeint, raffiniertes Miststück, dachte ich und musste innerlich lachen. Zitternd schlüpfte ich zu dem struppigen Dackel ins Boot. Kaum war ich unter der Persenning, lag er auch schon neben mir und wärmte mich. Ich spürte den Hundekörper an meiner Brust und hörte seinen Atem.
    »Wie heißt du denn?«, wollte ich von meinem neuen Freund wissen, aber er antwortete nicht.
    »Und wo kommst du her?«, fragte ich weiter. Keine Antwort. Stattdessen kuschelte er sich dicht an mich und ich wusste, dass meine Fragen ziemlich unwichtig waren.
     
    Am nächsten Morgen wachte ich durch ein Geräusch auf. Durch die Ritzen der Persenning schimmerte bereits das Tageslicht und etwas hüpfte darauf hin und her.
    Sicher Tauben oder Spatzen, dachte ich und lauschte.
    Oskar schlief noch. Ja, Oskar würde ich ihn nennen. Das passte zu ihm. Zufrieden wie ein Engel lag er an meiner Brust, sodass ich mich fragte, wer hier wen gerettet hatte. Mein Anzug war immer noch feucht und mein Regenmantel sehr zerknittert. Wie dumm war ich doch gewesen. Warum hatte ich mich in den Fluss gestürzt, der mich offensichtlich nicht haben wollte? Meinen Namen konnte er mir nicht sagen und er hatte mich zum zweiten Mal von sich gestoßen, mich verschmäht, so wie man eine giftige Beere ausspuckt, mich wieder ans Ufer geschickt, mit diesem streunenden Hund, der jetzt neben mir lag und dessen kleiner Körper sich leise hob und senkte.
     
    Den Anzug ruiniert, den Regenmantel total zerknautscht, die Reste meines Geldes nass und einen streunenden Hund zum Freund, machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Zunächst ging ich auf der Uferpromenade in Richtung Schloss. Oskar schien fröhlich zu sein. Er hüpfte mir um die Beine, sauste manchmal ein Stück voraus, schnupperte an einem besonders interessanten Baum, kam jedoch immer wieder zu mir zurück.
    »Ich kann dich nicht behalten. Du hast sicher ein Herrchen und musst zu ihm nach Hause.«
    Als ob er meinen Worten lauschte, blieb der kleine Dackel stehen, sah mich mit seinen dunkelbraunen Augen an, wedelte mit dem Schwanz und sprang dann an mir hoch. Ich spürte seine Vorderpfoten an meinem Bein und hörte sein freundliches Winseln.
    »Ich kann dich nicht behalten«, wiederholte ich. »Ich komme doch nicht einmal mit mir selbst zurecht.«
    Aber das schien ihn nicht zu interessieren. Er umkreiste mich weiter, war mal vor und mal hinter mir, bis wir direkt unterhalb des Schlosses ankamen, wo die steilen Stufen vom Main hinauf zum Schlossplatz führten.
    »Jetzt müssen wir uns verabschieden, mein Freund«, sagte ich zu ihm und eilte die Stufen empor.
    Ich wusste nicht, ob ich früher jemals einen Hund gehabt hatte, ich wusste gar nichts von früher, aber dass ich jetzt diesen Dackel nicht gebrauchen konnte, war mir klar. Doch das interessierte ihn nicht im Geringsten. Als ich die Treppen nach oben stürmte, was für manche nach Flucht vor dem Hund ausgesehen haben könnte, begann er heftig zu bellen und versuchte, mir zu folgen. Zunächst
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