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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall
Autoren: Dieter Woelm
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die Zeitung.
     
    Dem Bericht zufolge hatten mich tags zuvor um 16 Uhr am Nachmittag zwei Jungen unterhalb der Willigisbrücke im Main treiben sehen. Ein Spaziergänger rief per Handy sofort die Feuerwehr und stürzte sich in die Fluten. Nachdem er mich ans Ufer geschleppt hatte, trafen die Rettungskräfte ein und begannen mit der Wiederbelebung. Wasser aus mir herauspressen, Herzmassage, Beatmung – die ganze Rettungsaktion wurde minutiös beschrieben. Auch mein Bild war in der Zeitung.
    ›Wer kennt diesen Mann?‹, wurden die Leser gefragt. ›Wer hat beobachtet, wie er in den Main gelangte? Wem ist etwas Besonderes an diesem Nachmittag aufgefallen?‹ Die Antworten sollten an Kommissar Rotfux von der örtlichen Kriminalpolizei gemeldet werden, der den Fall bearbeitete.
     
    Ich war sogar schon ein Fall. Deshalb war die Frau von Max so an mir interessiert.
    »Können Sie sich denn gar nicht erinnern, was mit Ihnen passiert ist?«, wollte sie neugierig wissen.
    Ich musste auch ihr gestehen, dass ich mich an nichts erinnerte, sogar nicht einmal an meinen Namen. Dieses Geständnis steigerte allerdings ihr Interesse ins Unermessliche.
    »Vielleicht hat man Sie ausgeraubt und in den Fluss gestoßen?«, erging sie sich sofort in den wildesten Spekulationen. »Oder wollten Sie sich womöglich das Leben nehmen?«
    »Aber Linda!«, mischte sich jetzt Max ein. »Das würde Herr …, äh, das würde mein Bettnachbar doch sicher wissen!«
    Sie entschuldigte sich für diesen Gedanken, obwohl sie damit eine Möglichkeit ausgesprochen hatte, die mir auch schon durch den Kopf gegangen war.
    Vielleicht konnte ich mein Leben nicht mehr ertragen, hatte Ärger mit der Frau oder der Familie, wurde von Schulden erdrückt und hatte keinen anderen Ausweg mehr gesehen?
    Allerdings – hätte ich mich dann im Anzug in einen Fluss gestürzt, den ich anscheinend gar nicht kannte?
    Meine Gedanken drehten sich wie im Kreis und ich merkte, dass ich müde wurde. Still lag ich da, starrte an die Zimmerdecke, beachtete Max und seine Frau nicht mehr und schlief wieder ein.
     
    Zum Mittagessen bekam ich erstmals eine Suppe und nach dem Essen Besuch.
    »Ich muss Sie in ein anderes Zimmer schieben«, erklärte mir Patricia, eine hübsche, blonde Schwester, die mir bereits die Suppe serviert hatte. »Kommissar Rotfux möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    In einem Einzelzimmer ganz am Ende des sterilen Krankenhausgangs wartete bereits der Kommissar.
    »Rotfux, Kriminalpolizei«, stellte er sich vor und zeigte seinen Ausweis. Er sah eigentlich nicht aus, wie ich mir einen Kommissar vorgestellt hatte, war klein und ziemlich dick, trug keine Lederjacke, sondern einen gelben Pulli, und wirkte auch nicht streng, sondern freundlich und offen. Einzig sein rotbrauner Oberlippenbart, der beim Sprechen auf und ab tanzte, und seine munteren dunkelbraunen Augen passten zu meiner Vorstellung, die ich mir in den letzten Stunden von einem Kommissar gemacht hatte.
    Rotfux sah mich fragend an. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich mich nun vorstellen müsste, aber ich wusste nicht wie. Also sagte ich nur: »Ich weiß meinen Namen leider nicht mehr, Herr Kommissar. Tut mir leid!«
    »Schon okay«, antwortete er. »Professor Schönfels hat mich über Ihren Zustand informiert. Aber vielleicht können Sie mir trotzdem weiterhelfen.«
    Daraufhin schlossen sich viele Fragen an, von denen ich allerdings keine einzige beantworten konnte. Wie lange ich bereits in der Gegend wäre und wo mein Wohnsitz sei, ob man irgendjemand anrufen könne, ob ich wisse, wie ich in den Main gekommen sei, und so weiter, und so weiter …
    Zum Ende der Befragung schien Rotfux langsam, aber sicher die Nerven zu verlieren und irgendwie an mir und meinen Auskünften zu zweifeln.
    »Wenn Ihnen irgendetwas einfällt, rufen Sie mich bitte an!«, sagte er mit leicht drohendem Unterton und überreichte mir sein Kärtchen. »Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn wir Ihren Anzug untersuchen?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich möchte ja selbst wissen, wie das alles gekommen ist«, stammelte ich und konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass sich hier etwas über mir zusammenbraute. Er traute mir nicht wirklich, zweifelte an meinen Auskünften, konnte sich bestimmt nicht vorstellen, dass ich so gar nichts wusste.
    »Wenn wir etwas in Erfahrung bringen, werde ich Ihnen Bescheid geben. Vielleicht haben wir ja Glück und jemand kennt Sie«, verabschiedete er sich von mir.
     
    Aber das Glück
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