Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mailverkehr für Fortgeschrittene

Mailverkehr für Fortgeschrittene

Titel: Mailverkehr für Fortgeschrittene
Autoren: Mela Wolff
Vom Netzwerk:
doch, die Wahrheit zu gestehen.
    »Nein.«
    »Ach so, ich bin nämlich auch noch nicht lange hier. Soll ich Dich ein bisschen herumführen?«
    »Ja gerne.«
    Du hattest recht: wirklich nettes Personal.
    Ehe ich von meinem Barhocker rutschte, nahm ich noch einen Schluck Wein. Dann folgte ich Kira in die Unterwelt.
    Sie öffnete eine Tür: das Raucherzimmer, mit dunklen Clubsesseln und grauem Dunst gefüllt. Hier waren sie also alle. Na ja, sechs Leute jedenfalls. Oder sieben.
    »Das ist Alice«, stellte Kira mich vor.
    Ich wurde kurz begutachtet und von allen freundlich begrüßt. Hatte langsam das komische Gefühl, in eine Art Familie zu kommen, wo zwar jeder jeden kennt, man aber immer offen ist für Neues. Wahlverwandtschaften der besonderen Art.
    »Unser Klinikraum«, sagte Kira und öffnet eine weitere Tür.
    Ich war geblendet von so viel Weiß und Sterilität. Abgestoßen und angezogen zugleich von dem gynäkologischen Stuhl an der Wand. Trat dann doch lieber hastig den Rückzug an. Auf diesen Stuhl klettere ich einmal im Jahr zur Krebsvorsorge. Aber bestimmt nicht zum Spaß.
    Kira führte mich um die Ecke, öffnete eine andere Tür.
    »Toilette, Dusche. Auch zum Spielen.«
    Ein Paradies für Erwachsene mit besonderen Vorlieben. Waren aber nicht die meinen.
    Wir gingen wieder nach vorne, an dem Vogelkäfig vorbei. Dann weiter durch eine Schiebetür, an einem Holzgestell vorbei, das vielfältige Möglichkeiten zum Hängen, Fesseln, Fixieren bot. Noch ein Vogelkäfig, auch dieser war leer.
    Wir kletterten eine schmiedeeiserne Wendeltreppe hinab. Unten, auf einer Art Streckbank, lag ein Mann, das Gesicht mit einem Tuch verdeckt. Ein zweiter stand neben ihm und begrüßte uns freundlich. Als wäre es das Natürlichste von der Welt, sich in einem Folterkeller aufzuhalten, zum Spaß.
    Ich beguckte mir die Lederschaukel, die von der Decke hing, und das Himmelbett in der Ecke. Tatsächlich, da war es in seiner ganzen höllenschwarzen Pracht. Du hast nicht zu viel versprochen. Ich mag das Bett. Es hat Pfosten, an denen ich festgebunden werden könnte. Und ich frage mich, ob Du es schon mal benutzt hast …
    Kira führte mich wieder nach oben.
    An der Bar war inzwischen ein zweiter Mann aufgetaucht. Etwas größer als ich, dunkle Haare, dunkle Augen, angenehm ruhig. Saß zwei Hocker weiter, trank ebenfalls Rotwein.
    Kira polierte Gläser.
    »Was bedeutet eigentlich dieser Name Gargoyle?«, wollte ich wissen.
    »Das sind kleine Hausgeister. Schutzdämonen, die tagsüber versteinert sind und nachts lebendig werden.«
    So wie ich.
    Kira fragte mich, wie ich hierhergefunden hätte.
    Sie hatte so etwas an sich, das es mir leicht machte, mich zu öffnen. Ich erzählte ihr von dem Mann, der mir das erste Mal den Hintern versohlt hatte, und dass ich seitdem auf der Suche war. Kira empfahl die »Sklavenzentrale« im Internet.
    Ich unterdrücke ein Kichern. »›Sklavenzentrale‹?«
    »Ein Online-Treffpunkt für alle, die es ›kinky‹ mögen.«
    Kinky? Kira las in meinem fragenden Gesicht und lieferte die Erklärung gleich hinterher. »Das bedeutet ›sexy‹, nicht der Norm entsprechend. Hört sich besser an als ›pervers‹, findest Du nicht? Du kannst in diesem Forum Deine Vorlieben angeben, sagen, was Du willst und wie, und Dir jemanden suchen, der mit Dir spielen möchte.«
    Was will ich? Gedankenverloren angelte ich mir eine Salzstange von der Theke und knabberte daran herum.
    »Du bist das erste Mal hier, und das auch noch allein? Mutige Frau.«
    Der Rotweintrinker hob sein Glas.
    »Auf Dein Coming-out.«
    Dunkle Augen, die mich musterten. Interessiert. Neugierig. Lüstern. Und ich wusste, mein Besuch hier war nicht umsonst gewesen. In keiner Hinsicht.
    Er rutschte zu mir herüber und wir unterhielten uns.
    Falk, so hieß er, pendelte beruflich zwischen München und Berlin. Er war seit Jahren in der Szene aktiv. Eine japanische Freundin hatte ihn mit den Freuden von Bondage vertraut gemacht. Beinahe wäre er mit ihr nach Japan gegangen.
    Ich betrachtete das Spiel seiner Muskeln unter dem schwarzen Hemd und atmete seinen Duft ein … Mmhhh … Muskat und Vanille.
    Wir wechselten auf seinen Vorschlag hin auf die schwarze Ledercouch. Ich berührte kurz seinen Arm, behaart, kräftig. Seine Hände sahen aus, als könnten sie zupacken. Fest zupacken.
    Und dann wollte Falk wissen, was ich mir so vorstelle. Welche Fantasien ich hätte.
    Ich starrte das Holzkreuz vor mir an (ein Andreaskreuz, hatte Kira erklärt) und schwieg.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher