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Maigret zögert

Maigret zögert

Titel: Maigret zögert
Autoren: Georges Simenon
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war?«
    »Nein.«
    »Ist Ihr Mann katholisch?«
    »Nein.«
    »Gesetzt den Fall, sie wäre tatsächlich schwanger gewesen, hätte er sich doch auch darüber freuen können.«
    »Es hätte sein Leben nur kompliziert.«
    »Sie vergessen, dass wir nicht mehr in der Zeit leben, als man auf ledige Mütter noch mit Fingern zeigte... Die Zeiten ändern sich, Madame Parendon... Viele Frauen scheuen auch nicht mehr davor zurück, sich einem großzügig denkenden Gynäkologen anzuvertrauen.«
    »Ich habe das nur als Beispiel gesagt.«
    »Nennen Sie einen anderen Grund.«
    »Sie hätte ihn erpressen können.«
    »Womit? Machte Ihr Mann faule Geschäfte? Trauen Sie ihm ernsthafte Verfehlungen zu, die seine Ehre als Anwalt verletzen könnten?«
    Sie resignierte, antwortete mit trockener Kehle:
    »Bestimmt nicht.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an.
    »Diese Mädchen wollen am Ende immer geheiratet werden.«
    »Hat Ihr Mann mit Ihnen über Scheidung gesprochen?«
    »Bis jetzt nicht.«
    »Was würden Sie in einem solchen Fall tun?«
    »Ich wäre gezwungen, nachzugeben und ihn aus meiner Obhut zu entlassen.«
    »Sie besitzen, glaube ich, persönliches Vermögen?«
    »Es ist größer als das seine. Wir sind hier in meiner Wohnung. Das Haus gehört mir.«
    »Folglich sehe ich keinen Grund für Erpressung.«
    »Vielleicht wird man einer falschen Liebe überdrüssig?«
    »Warum falsch?«
    »Wegen des Alters, der Herkunft, der Lebensweise, wegen allem...«
    »Ist Ihre Liebe echter?«
    »Ich habe ihm zwei Kinder geschenkt...«
    »Wollen Sie damit sagen, dass sie ein Bestandteil Ihrer Mitgift waren?«
    »Wollen Sie mich beleidigen?«
    Wieder sah sie ihn wutentbrannt an, während er ihr mit geradezu stoischer Ruhe begegnete.
    »Das beabsichtige ich keineswegs, Madame, aber gewöhnlich gehören zum Kinderkriegen zwei. Sagen Sie also einfach, dass Sie und Ihr Mann zwei Kinder haben.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Darauf, dass Sie mir schlicht und ehrlich sagen, was Sie heute Vormittag getan haben.« »Das habe ich Ihnen gesagt.«
    »Weder schlicht noch ehrlich. Sie haben mir eine lange Geschichte von Schlaflosigkeit aufgetischt, um damit den ganzen Vormittag zu übergehen.«
    »Ich habe geschlafen.«
    »Darüber hätte ich gern Gewissheit. Und wahrscheinlich werde ich sie in sehr kurzer Zeit bekommen. Meine Inspektoren haben sich genau über die Beschäftigung und über das Kommen und Gehen jedes einzelnen zwischen Viertel nach neun und zehn Uhr erkundigt. Es ist mir bekannt, dass es verschiedene Wege gibt, in die Büros zu gelangen.«
    »Glauben Sie etwa, ich lüge Sie an?«
    »Jedenfalls sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit.«
    »Halten Sie meinen Mann für unschuldig?«
    »Ich halte niemanden a priori für unschuldig, wie ich auch niemanden für schuldig halte.«
    »Aber so, wie Sie mich verhören...«
    »Was hatte Ihre Tochter Ihnen vorzuwerfen, als ich sie vorhin holen kam?«
    »Hat Sie es Ihnen nicht gesagt?«
    »Ich habe sie nicht danach gefragt.«
    Wieder lachte sie höhnisch auf. Ein bitterer Zug, der eine gewollt grausame, verächtliche Ironie ausdrückte, lag um ihren Mund.
    »Sie hat mehr Glück als ich.«
    »Ich habe Sie gefragt, was sie Ihnen vorzuwerfen hatte.«
    »Dass ich in einem solchen Augenblick nicht bei ihrem Vater war, da Sie es unbedingt wissen wollen!«
    »Hält sie ihren Vater für schuldig?«
    »Und wenn sie es täte?«
    »Gus wahrscheinlich auch?« »Gus ist noch in einem Alter, wo der Vater eine Art Gott ist und die Mutter immer die Böse.«
    »Als Sie vorhin in das Büro Ihres Mannes schauten, wussten Sie da, dass ich bei ihm sein würde?«
    »Sie sind nicht unbedingt überall, Monsieur Maigret, und ich durfte damit rechnen, meinen Mann allein anzutreffen.«
    »Sie haben ihm eine Frage gestellt.«
    »Eine ganz schlichte, ganz natürliche Frage, die Frage, die jede Frau an meiner Stelle in dieser Lage gestellt hätte. Haben Sie seine Reaktion gesehen? Finden Sie sie normal? Würden sie sagen, dass ein Mann normal ist, wenn er mit den Füßen trampelt und Beleidigungen stammelt?«
    Sie spürte, dass sie damit einen Punkt gewonnen hatte, und griff nach einer neuen Zigarette, nachdem sie die erste in einem blauen Marmoraschenbecher ausgedrückt hatte.
    »Ich warte auf weitere Fragen, wenn sie noch welche an mich haben.«
    »Haben Sie zu Mittag gegessen?«
    »Sorgen Sie sich nicht darum. Wenn Sie Hunger haben...«
    Ihr Gesichtsausdruck wie auch ihr Benehmen änderten sich schlagartig. Sie wurde wieder ganz
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