Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Wohnung herumzuschnüffeln?«
    »Sie schnüffelte schon herum, bevor ich sie kannte.«
    »Warum?«
    »Weil sie neugierig war und meine Stiefmutter hasste.«
    »Gab es ein Motiv für ihren Hass?«
    »Sie fand sie hart und hochmütig. Die beiden lebten in diesem Haus sozusagen auf Kriegsfuß, und sie hielten damit auch nicht hinter dem Berg.«
    »Hatte Rose dabei an den Schmuck gedacht?«
    »Nein. Sie bohrte ein Loch in die Wand zwischen den beiden Zimmern.«
    Valentine reagierte entrüstet, am liebsten wäre sie wohl sofort hinaufgegangen, um sich von dieser ungeheuerlichen Tatsache selbst zu überzeugen.
    »Wann war das?«
    »Vor etwa zwei Wochen, als Valentine nachmittags zum Tee bei Mademoiselle Seuret war.«
    »Was konnte sie durch das Loch sehen?«
    »Erst einmal nichts. Sie musste mehrere Tage warten. Eines Abends stand sie ganz leise auf, nachdem sie sich zum Schein schlafen gelegt und geschnarcht hatte, und sah, wie Valentine die Truhe gegenüber vom Bett öffnete.«
    »Hatte Rose vorher niemals hineingesehen?«
    »Alle Schubladen, alle Schränke im Haus waren verschlossen, und Valentine trug die Schlüssel bei sich. Rose musste sie fragen, wenn sie auch nur eine Sardinenbüchse herausnehmen wollte.«
    »Wie kam sie unter diesen Umständen an einen der Ringe?«
    »Als Valentine gerade badete. Sie hat mit mir vorher nicht darüber gesprochen. Wahrscheinlich hat sie diesen Plan sozusagen auf die Minute vorausberechnen müssen.«
    »Haben Sie den Ring gesehen?«
    »Ja.«
    »Was wollte sie damit machen?«
    »Nichts. Sie konnte ihn ja nicht tragen, ohne sich dabei nicht zu verraten. Aus ihrer Sicht war es eine Art Rache.«
    »Haben Sie nicht daran gedacht, Ihre Stiefmutter könnte es bemerken?«
    »Vielleicht.«
    »Geben Sie zu, dass Sie tatenlos zusahen, um ihre Reaktion abzuwarten.«
    »Möglich.«
    »Hätten Sie sich damit zufriedengegeben, mit ihr zu teilen, aber ohne Charles und Arlette davon zu erzählen?«
    »Ich beantworte die Frage nicht.«
    »Sie sind offenbar der Überzeugung, dass man gegen Sie nichts in der Hand hat.«
    »Ich habe niemand umgebracht.«
    Sie reagierte wieder unruhig und wollte die Hand heben wie ein Schüler im Unterricht.
    »Das ist alles, was ich Sie fragen wollte.«
    »Soll ich gehen?«
    »Sie können bleiben.«
    »Bin ich frei?« »Vorläufig nicht.«
    Maigret fing wieder an, auf und ab zu gehen, mit einem leicht roten Gesicht, denn jetzt musste er sich mit der alten Dame befassen.
    »Haben Sie gehört, was er gesagt hat?«
    »Alles, was er sagte, ist falsch.«
    Er zog den Ring aus seiner Westentasche und zeigte ihn ihr.
    »Streiten Sie ab, dass Sie den echten Schmuck in Ihrem Zimmer aufbewahren? Ist es Ihnen lieber, ich nehme Ihre Schlüssel und hole ihn?«
    »Es war mein Recht. Mein Mann war damit einverstanden. Seine Söhne hielt er für erwachsen genug, um für sich allein zu sorgen, und er wollte eine alte Frau wie mich nicht ohne Rücklagen wissen. Wenn die Kinder davon erfahren hätten, hätten sie ihn verkauft, und wir hätten ein Jahr später trotzdem in der gleichen üblen Situation gesteckt.«
    Er vermied es, sie anzusehen.
    »Warum hassten Sie Rose?«
    »Ich hasste sie nicht. Ich traute ihr nicht, und die Ereignisse geben mir recht. Sie konnte mich nicht mehr ausstehen, während ich alles für sie tat.«
    »Wann entdeckten Sie, dass der Ring fehlte?«
    Sie wollte gerade antworten, dann aber wurden ihre Augen hart.
    »Ich antworte nicht mehr auf Ihre Fragen.«
    »Wie Sie wollen.«
    Er wandte sich zu Castaing:
    »Schreib trotzdem weiter.«
    Und während er so mit schweren Schritten das Zimmer abging, dass die Nippsachen zu wackeln anfingen, redete er vor sich hin:
    »Wahrscheinlich haben Sie diese Entdeckung vor dem Mittwoch der letzten Woche gemacht. Rose war die einzige Person, die Sie gesehen haben und die in den Besitz des Rings gelangen konnte. Wahrscheinlich haben Sie ihre Sachen durchgewühlt und nichts gefunden. Als sie am Mittwoch ausging, sind Sie ihr nachgegangen und sahen, wie sie sich mit Theo in Etretat traf.«
    Nun bekam sie es wirklich mit der Angst zu tun.
    »Sie wussten nicht, ob sie mit ihm darüber gesprochen hatte. Sie vermuteten aber, dass er wegen des Schmucks hier sei.«
    Obwohl sie sich entschlossen hatte, nichts mehr zu sagen, konnte sie eine Zwischenbemerkung nicht unterdrücken.
    »Von dem Tag an, da er Bescheid gewusst hätte, wäre ich meines Lebens nicht mehr sicher gewesen.«
    »Das mag sein. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher