Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
machen konnten. Sie haben ihm gesagt, Sie wollten mit ihm reden, und er verstand sofort. Sie wollten aber gar nicht mit ihm reden!
    Sehen Sie, Ihre beiden Morde sind nicht nur das Verbrechen Alleinstehender, sondern auch das Verbrechen alter Damen.
    Sie sind intelligent, Valentine!«
    Trotz allem fühlte sie sich sichtlich geschmeichelt von diesem Kompliment.
    »Theo musste zum Schweigen gebracht werden, doch ich durfte keinen Verdacht schöpfen. Es hätte zwar eine praktikable Lösung gegeben, aber die lehnten Sie ab: ihm die Teilung anzubieten.
    Sie denken zu sehr an Besitz. Die Vorstellung, Sie müssten sich von einem Teil Ihres Schmucks trennen, der Ihnen noch nicht einmal das Leben erleichtert und zu nichts nutz ist, erschien Ihnen so ungeheuerlich, dass Sie lieber einen zweiten Mord begangen haben.
    Sie haben Theo gebeten, Sie um Mitternacht zu besuchen und niemand etwas davon zu erzählen.
    Hat sie das von Ihnen verlangt, Monsieur Besson?«
    »Sie werden verstehen, dass es für mich schwierig ist, eine solche Frage zu beantworten. Ein Gentleman...«
    »Du Schuft! Zieht ein Gentleman vielleicht ein Dienstmädchen in seine Familienangelegenheiten mit hinein und verleitet sie, etwas zu stehlen, weil ihm das gelegen kommt? Schickt ein Gentleman jemand vor, der sich an seiner Stelle töten lässt?«
    »Monsieur Besson, eigentlich fühlten Sie sich nach Valentines Anruf siegessicher und erschreckt zugleich. Siegessicher, weil Sie die Partie gewonnen hatten, weil ihr Anruf bewies, dass sie zu Verhandlungen bereit war. Erschreckt, weil Sie sie kannten und sich daher ausrechnen konnten, dass sie sich Ihr Schweigen nicht freudestrahlend erkaufte.
    Sie witterten eine Falle. Dieses Treffen hier um Mitternacht verhieß Ihnen nichts Gutes. Sie gingen zurück ins Hotel und überlegten; dabei kam Ihnen der Anruf Henris, der schon einiges getrunken hatte, sehr gelegen.
    Ich hatte mich heute Abend mit ihm unterhalten, und das ging ihm im Kopf herum. Er hatte schon ziemlich viel getrunken und wollte Sie sehen, ich weiß eigentlich nicht, warum, vielleicht wusste er es selber nicht so genau.
    Also haben Sie ihn ausgeschickt, um das Terrain zu sondieren, und ihm gesagt, er solle sich genau um Mitternacht hier einfinden.
    So war er es, der Valentine in die Falle ging.
    Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen, Madame. Der Mord an Rose war schon bewundernswert geplant, aber dieser war von einer geradezu teuflischen Gerissenheit!
    Bis hin zu dem Trick mit dem Schalter, den Sie mir heute Abend vorführten und der Sie entlastete, als Sie in Ihrer Erregung geschossen haben, ohne draußen Licht gemacht zu haben.
    Nur ist Henri dabei umgekommen. Bruder und Schwester in der gleichen Woche!
    Wissen Sie, was ich tun würde, wenn ich nicht bei der Polizei wäre? Ich würde Sie unter der Obhut des Inspektors hier lassen und ginge nach Yport, um die ganze Geschichte einem gewissen Trochu und seiner Frau zu erzählen. Ich würde ihnen sagen, wie und warum und aus welch schmutzigen Interessen sie zwei Kinder im besten Alter in wenigen Tagen verlieren mussten. Ich würde sie mitbringen, sie und die Schwestern und die Brüder Ihrer Opfer mit allen ihren Nachbarn und Freunden.«
    Er sah, dass Theo leichenblass wurde und die Hände auf den Armlehnen verkrampfte. Valentine sprang bestürzt auf:
    »Sie haben nicht das Recht, das zu tun! Worauf warten Sie noch, um uns nach Le Havre mitzunehmen? Sie sind verpflichtet, uns zu verhaften, jedenfalls mich zu verhaften.«
    »Gestehen Sie?«
    »Ich gestehe nicht; aber Sie klagen mich an, und Sie haben kein Recht, mich hier zu lassen. Wer weiß, ob die Trochus nicht schon benachrichtigt wurden und auf dem Weg hierher sind?«
    »Wir leben in einem zivilisierten Land, in dem jeder das Recht auf einen Prozess hat.«
    Sie horchte jetzt auf die Geräusche draußen und hätte sich aus einem Schutzbedürfnis heraus Maigret beinahe an die Brust geworfen, als sie das Geräusch eines Autos und darauf Schritte im Garten hörte. Sie war jetzt einem Nervenzusammenbruch nahe. Ihr Gesicht hatte seinen hübschen Ausdruck verloren, in ihren Augen stand die blanke Angst, ihre Fingernägel krallten sich in die Hände des Kommissars.
    »Sie haben nicht das Recht! Sie haben nicht...«
    Es waren nicht die Trochus, die noch von nichts wussten, sondern der Leichenwagen aus Le Havre sowie ein Polizeiauto mit Experten.
    Eine halbe Stunde lang gehörte das Haus ihnen. Henris Leiche wurde auf einer Bahre hinausgetragen, während ein Fachmann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher