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Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame
Autoren: Georges Simenon
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war wieder draußen; so blieb er sicher leichter wach. Das Licht in Theos Zimmer brannte noch.
    »Haben Sie Roses Bruder nicht getroffen, Chef? Er torkelte gerade hier vorbei.«
    »Ging er ins Hotel?« »Ich weiß nicht einmal, ob er gemerkt hat, dass das ein Hotel ist.«
    »Hat er dich angesprochen?«
    »Ich habe mich an die Hauswand gedrückt.«
    »In welche Richtung ging er?«
    »Er ging die Straße hinunter, dann nach rechts, wahrscheinlich, um nicht den Bürgersteig wechseln zu müssen. Was machen wir?«
    »Nichts.«
    »Bleiben wir hier?«
    »Warum nicht?«
    »Glauben Sie, dass er noch weggeht?«
    »Ich weiß es nicht. Möglich.«
    Zum zweiten Mal fragte sich Castaing, ob der Ruf des Kommissars nicht übertrieben sei. Jedenfalls bekam es ihm gar nicht, wenn er trank.
    »Geh und frage im Hotel, ob jemand nach ihm verlangt hat und auf sein Zimmer gegangen ist...«
    Castaing kam einige Zeit später mit negativem Bescheid zurück.
    »Bist du sicher, dass er in den Bars, in denen du mit ihm warst, mit niemand geredet hat?«
    »Nur, um etwas zum Trinken zu bestellen. Er merkte nicht, dass ich ihm folgte. Er sah mich ab und zu zögernd an. Ich glaube, er überlegte, ob es nicht einfacher wäre, zusammen zu trinken.«
    »Hat man ihm keine Briefe übergeben?«
    »Ich habe nichts dergleichen gesehen. Glauben Sie nicht, es wäre besser, irgendwo ein Sandwich zu essen?«
    Maigret schien nicht zu hören. Er nahm aus seiner Tasche eine kalte Pfeife und stopfte sie langsam. Der Hof um den zunehmenden Mond vergrößerte sich, und vom offenen Meer kam es wie Rauch, der allmählich durch die Straßen zog. Das war noch nicht der richtige Nebel, denn das Nebelhorn war noch nicht zu hören.
    »In acht Tagen«, meinte Castaing, »sind nur noch die Einheimischen hier. Das Hotelpersonal geht in den Süden, wo die Saison mit neuen Gästen beginnt.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zwanzig vor elf.«
    Irgendetwas schien Maigret zu beunruhigen, denn er sagte nach einer Weile:
    »Ich komme gleich wieder. Ich gehe schnell ins Hotel, um zu telefonieren.«
    Er ging in die Kabine und rief bei Charles Besson an.
    »Hier Maigret. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe. Ich hoffe, Sie haben noch nicht geschlafen.«
    »Nein. Gibt’s was Neues? Meine Frau hat sich eine Bronchitis geholt, will morgen aber trotzdem bei der Beerdigung dabeisein.«
    »Sagen Sie, Monsieur Besson. Hat Ihre Frau jemals einen Ring mit einem großen Smaragd besessen?«
    »Mit einem was?«
    Er wiederholte das Wort.
    »Nein.«
    »Haben Sie nie einen ähnlichen Ring in Ihrer Umgebung gesehen? Bei Arlette zum Beispiel?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Ich bedanke mich.«
    »Hallo! Monsieur Maigret?«
    »Ja.«
    »Was ist das für eine Geschichte mit dem Ring? Haben Sie einen gefunden?«
    »Ich weiß noch nicht. Ich erzähle Ihnen das in den nächsten Tagen.«
    »Geht alles gut bei Ihnen dort?« »Im Augenblick ist alles ruhig.«
    Maigret hängte auf, zögerte, ließ sich schließlich Arlettes Nummer in Paris durchgeben. Er bekam sofort eine Verbindung. Eine Männerstimme war am Apparat, seine erste Bekanntschaft mit Julien.
    »Julien Sudre am Apparat«, sagte eine Stimme ruhig und ziemlich ernst. »Wer spricht da?«
    »Kommissar Maigret. Ich wollte kurz mit Madame Sudre sprechen.«
    Er hörte, wie Sudre, ohne unruhig zu werden, sagte:
    »Es ist für dich. Der Kommissar.«
    »Hallo! Gibt es was Neues?«
    »Ich glaube nicht. Noch nicht. Ich wollte Sie nur etwas fragen. Hat man Ihnen jemals Schmuck gestohlen?«
    »Warum fragen Sie mich das?«
    »Antworten Sie bitte.«
    »Nein. Ich glaube nicht.«
    »Besitzen Sie viel Schmuck?«
    »Einiges. Mein Mann hat ihn mir geschenkt.«
    »Haben Sie jemals einen Ring mit einem ziemlich großen Smaragd besessen?«
    Es herrschte kurze Stille.
    »Nein.«
    »Sie erinnern sich an keinen Ring in dieser Art?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Ich danke Ihnen.«
    »Haben Sie sonst nichts zu sagen?«
    »Heute Abend nicht.«
    Sie wollte das Gespräch nicht beenden. Sie wollte noch mehr von ihm erfahren. Vielleicht hätte auch sie gern etwas gesagt, konnte das aber in Gegenwart ihres Mannes nicht.
    »Nichts Unangenehmes?« fragte sie nur.
    »Nichts. Gute Nacht. Ich nehme an, Sie gehen jetzt beide ins Bett.«
    Sie hielt es für Ironie und antwortete ziemlich kurz:
    »Ja. Gute Nacht.«
    In der Hotelhalle saß nur noch der Nachtportier. Ganz hinten stand der Sessel, in dem Arlette am ersten Abend auf ihn gewartet hatte. In diesem Augenblick kannte er sie noch nicht,
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