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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre
Autoren: Georges Simenon
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Meßbuch?«
    »Dasjenige der Gräfin … Es blieb hier liegen …«
    »Glauben Sie? …«
    »Komm her, du dort!« raunzte Maigret den Glöckner an. »Hast du das Meßbuch gesehen, das hier lag?«
    »Ich?«
    Entweder war der Mann stockdumm oder dann stellte er sich so. Maigret fühlte sich nervös. Er sah Maurice de Saint-Fiacre hinten im Kirchenschiff stehen.
    »Wer ist in die Nähe dieser Stuhlreihe gekommen?«
    »Während der Sieben-Uhr-Messe war die Frau des Arztes dort …«
    »Ich dachte, der Arzt sei nicht gläubig.«
    »Er vielleicht nicht! Aber seine Frau …«
    »Nun, Sie werden dem ganzen Dorf bekanntgeben, daß eine gute Belohnung denjenigen erwartet, der mir das Meßbuch zurückbringt.«
    »Ins Schloß?«
    »Nein! Zu Marie Tatin.«
    Draußen gesellte sich Maurice de Saint-Fiacre wieder zu ihm.
    »Ich verstehe nicht, was es mit diesem Meßbuch auf sich hat.«
    »Herzstillstand, nicht wahr? … Der kann durch eine heftige Erregung verursacht werden … Und eingetreten ist er kurz nach der Kommunion, das heißt, nachdem die Gräfin ihr Meßbuch aufgeschlagen hat … Nehmen wir mal an, daß in diesem Meßbuch …«
    Doch der junge Mann schüttelte hoffnungslos den Kopf.
    »Ich kann mir keinerlei Nachricht vorstellen, die meine Mutter so sehr aufgeregt haben könnte … Außerdem wäre es … wäre es derart schändlich …«
    Es verschlug ihm fast den Atem. Er schaute düster zum Schloß hinüber.
    »Gehen wir etwas trinken.«
    Nicht dem Schloß wandte er sich zu, sondern dem Gasthaus, wo sein Erscheinen spürbar Unbehagen auslöste. Die vier Bauern, die da tranken, fühlten sich plöt z lich nicht mehr gemütlich! Sie grüßten mit einem R e spekt, der mit Ängstlichkeit gemischt war.
    Marie Tatin kam aus der Küche geeilt, sich die Hände an ihrer Schürze abwischend.
    Sie stammelte:
    »Monsieur Maurice … Ich bin noch ganz erschüttert über das, was berichtet wird … Unsere arme Gräfin …«
    Sie hielt die Tränen nicht zurück! Sie weinte sich gewiß jedesmal die Augen aus dem Kopf, wenn jemand im Dorf starb.
    »Sie waren auch bei der Messe, nicht wahr? …« sagte sie, sich auf Maigret beziehend. »Und zu denken, daß man nichts gemerkt hat! Erst hier hat man mir erzählt …«
    Es ist stets peinlich, in solchen Fällen weniger Schmerz zu offenbaren als Leute, die unbeteiligt sein könnten. Maurice nahm diese Beileidsbezeugungen mit schlecht verhehlter Ungeduld auf, und um seine Selbs t beherrschung zu bewahren, holte er vom Regal eine Fl a sche Rum, schenkte zwei Gläser voll.
    Ein Beben schüttelte seine Schultern, als er sein Glas in einem Zug hinuntergoß, und er sagte zu Maigret:
    »Ich glaube, ich habe mir heute früh, bei der Fahrt hierher, eine Erkältung geholt …«
    »Jeder in der Gegend ist erkältet, Monsieur Maurice«, erklärte Marie Tatin und fügte, zu Maigret gewandt, hinzu:
    »Auch Sie sollten sich in acht nehmen! Heute nacht habe ich Sie husten hören …«
    Die Bauern brachen auf; der Ofen glühte.
    »Ach, welch ein Tag!« klagte Marie Tatin. Ihres schielenden Blicks wegen wußte man nicht, ob sie Maigret oder den Grafen anschaute.
    »Wollen Sie nicht etwas essen? Da, sehen Sie! Mich hat das so durcheinandergebracht, als man mir sagte … ich habe nicht einmal mehr daran gedacht, mich umz u ziehen …«
    Sie hatte sich damit begnügt, eine Schürze über das schwarze Kleid zu binden, das sie nur anzog, um zur Messe zu gehen. Ihr Hut lag noch auf einem der Tische.
    Maurice de Saint-Fiacre trank ein zweites Glas Rum, schaute zu Maigret hin, wie um ihn zu fragen, was er tun sollte.
    »Gehen wir!« sagte der Kommissar.
    »Kommen Sie zum Mittagessen? Ich habe ein Huhn geschlachtet, und …«
    Aber die beiden Männer waren bereits draußen. Vor der Kirche standen vier oder fünf Karren, deren Zugpferde an den Bäumen angebunden waren. Man sah Köpfe, die sich über der niedrigen Mauer des Friedhofs hin- und herbewegten. Das gelbe Auto, drüben im Schloßhof, ergab die einzige lebhafte Farbnote.
    »Ist der Scheck gekreuzt?« erkundigte sich Maigret.
    »Ja! Doch er wird morgen präsentiert.«
    »Arbeiten Sie viel?«
    Kurzes Schweigen. Das Geräusch ihrer Schritte auf der frostharten Straße. Das Rascheln der vom Wind umhergewirbelten welken Blätter. Das Schnauben von Pferden.
    »Ich bin genau das, was man einen Nichtsnutz nennt! Ich habe mich schon mit allem Möglichen abgegeben … Sehen Sie … Die vierzigtausend … Ich wollte eine Fil m gesellschaft aufziehen … Vorher war ich an
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