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Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Maigret und die Affäre Saint Fiacre

Titel: Maigret und die Affäre Saint Fiacre
Autoren: Georges Simenon
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Den Priester befielen offenbar schlimmste Besorgnisse.
    Ein Drama! Maigret begriff die Lage zunächst überhaupt nicht. Aber nach wie vor stiegen aus seiner Kin d heit Erinnerungen auf, wie Luftblasen.
     
    … Eine Kirche, in der ein Verbrechen geschehen ist, muß vom Bischof neu geweiht werden …
     
    Doch wie hatte ein Verbrechen überhaupt geschehen können? Kein Schuß war gefallen! Keiner hatte sich der Gräfin genähert! Und Maigret hatte sie während der ganzen Messe sozusagen nicht aus den Augen gelassen.
    Und es gab nirgends Blut, keine Wunde!
    »Die zweite Messe ist um sieben Uhr, nicht wahr?«
    Es war eine Erleichterung, den schweren Schritt des Arztes zu hören, eines jovialen Herrn, dessen sanguinisches Temperament jedoch durch die Atmosphäre gedämpft wurde und der nun abwechselnd zum Kommissar und zum Pfarrer hinschaute.
    »Tot?« fragte er.
    Indessen zeigte er keinerlei Scheu, der Gräfin das Kleid aufzuhaken. Der Priester wandte den Kopf ab. In der Kirche hallten Schritte. Dann ertönte die vom Glöckner in Bewegung gesetzte Turmglocke. Die Sieben-Uhr-Messe wurde eingeläutet.
    »Für mich kommt nur eine Embolie in Frage, so wie … Ich war nicht ihr Hausarzt, weil sie sich lieber von einem Kollegen in Moulins behandeln ließ … Aber ich bin zwei-, dreimal ins Schloß gerufen worden … Sie war schwer herzkrank …«
    Die Sakristei war eng. Die drei Männer und die Leiche hatten nur knapp darin Platz. Zwei Chorknaben näherten sich, denn die Sieben-Uhr-Messe war ein Hochamt.
    »Der Wagen wird draußen sein!« sagte Maigret. »Man muß sie nach Hause bringen …«
    »Sind Sie sicher, daß … Mir bleiben noch zwei Messen zu lesen … Es ist Allerseelen … Meine Gläubigen …«
    Durfte Maigret den Pfarrer nicht beruhigen, da ja die Gräfin an einer Embolie gestorben war?
    »Sie haben gehört, was der Arzt gesagt hat …«
    »Aber wieso sind Sie hergekommen, heute, gerade zu dieser Messe? …«
    Maigret nahm sich zusammen, um gelassen zu bleiben.
    »Ein Zufall, Herr Pfarrer … Mein Vater ist auf Ihrem Friedhof begraben …«
    Und er lief eilends hinaus zum Auto, einem Coupé a l ten Modells, dessen Chauffeur eben die Anlaßkurbel drehte. Der Arzt wußte nicht, was er tun sollte. Auf dem Platz standen ein paar Leute, die nicht begriffen, was da vor sich ging.
    »Kommen Sie mit uns …«
    Die Leiche nahm jedoch die ganze Rücksitzbreite in A n spruch. Maigret und der Doktor zwängten sich daneben.
    »Sie scheinen sich darüber zu wundern, was ich vorhin gesagt habe«, murmelte der Landarzt, der seine Sicherheit noch nicht ganz wiedergefunden hatte. »Würden Sie die Umstände kennen, Sie würden vielleicht ve r stehen … Die Gräfin …«
    Er verstummte, als sein Blick auf den Chauffeur in schwarzer Livree fiel, der den Wagen mit abwesendem Ausdruck fuhr. Es ging quer über den leicht abfallenden Dorfplatz, den auf einer Seite die auf der Anhöhe erric h tete Kirche begrenzte, auf der anderen der an diesem Morgen giftig-grau daliegende Notre-Dame-Teich.
    Marie Tatins Gasthaus lag rechts, als erstes Haus des Dorfes. Zur Linken war eine von Eichen gesäumte Allee und, im Hintergrund, die düstere Masse des Schlosses. Darüber der Himmel, grau in grau, so kalt wie eine Ei s fläche.
    »Wissen Sie, es wird unerfreuliche Geschichten geben … Darum macht der Pfarrer solch eine saure Miene …«
    Dr. Bouchardon war ein Bauernsohn, etwas grobschlächtig. Er trug einen braunen Jagdanzug und hohe Gummistiefel.
    »Ich wollte gerade auf Entenjagd gehen, bei den We i hern.«
    »Zur Messe gehen Sie nicht?«
    Der Doktor zwinkerte. »Wohlgemerkt hat mich das nicht gehindert, mit dem früheren Pfarrer gut auszukommen. Aber mit dem dort …«
    Der Parkeingang glitt vorbei. Man konnte jetzt die Einzelheiten des Schlosses erkennen, die mit ihren geschlossenen Läden wie blind wirkenden Fenster des Er d geschosses, die beiden Ecktürme als einzige noch best e hende alte Gebäudeteile.
    Als der Wagen an der Freitreppe hielt, konnte Maigret einen Blick durch die vergitterten Fenster unmittelbar auf Bodenhöhe werfen und etwas von den dunsterfül l ten Küchenräumen erhaschen, samt einer dicken Frau, die damit beschäftigt war, Rebhühner zu rupfen.
    Der Chauffeur wußte nicht, was er machen sollte, traute sich nicht, die Türen des Coupés zu öffnen.
    »Monsieur Jean wird noch nicht aufgestanden sein …«
    »Holen Sie irgend jemand … Es ist doch noch anderes Personal im Haus …«
    Maigrets Nase triefte. Es war
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