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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel
Autoren: Georges Simenon
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Ihnen sage, nicht wahr?«
    Die Tür nebenan wurde schließlich doch geöffnet.
    Auch Nines Tür öffnete sich, und ein Zimmermädchen brachte ein Tablett mit Milchkaffee und Croissants herein.
    »Sie erlauben?«
    Nine hatte Ringe unter den Augen, und ihr Nachthemd ließ magere Schultern und eine kleine, nicht sehr feste Schulmädchenbrust erkennen. Während sie Croissantstückchen in den Milchkaffee stippte, spitzte sie weiterhin die Ohren, als ob das, was nebenan geschah, sie interessierte.
    »Werde ich in die Geschichte hineingezogen werden?« fragte sie nichtsdestoweniger. »Das wäre unangenehm, wenn man in den Zeitungen über mich schreiben würde. Vor allem für Madame Couchet …«
    Und als es leise, aber hastig an ihre Tür klopfte, rief sie:
    »Herein!«
    Eine Frau von etwa dreißig Jahren trat ein, barfuß. Sie hatte einen Pelzmantel über ihr Nachthemd geworfen. Fast wäre sie rückwärts wieder hinausgegangen, als sie den breiten Rücken Maigrets erblickte, doch dann faßte sie sich ein Herz und stotterte:
    »Ich wußte nicht, daß Sie Besuch haben!«
    Der Kommissar fuhr zusammen, als er die schleppende Stimme dieser Frau hörte, die sprach, als hätte sie einen Frosch im Hals. Sie schloß die Tür, und Maigret blickte in ein farbloses Gesicht mit verquollenen Augenlidern. Ein kurzer Seitenblick zu Nine bestätigte seine Vermutung. Es war die rauschgiftsüchtige Nachbarin.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts. Roger hat Besuch. Deshalb … habe ich mir erlaubt …«
    Sie setzte sich, noch ganz benommen, auf das Fußende des Bettes und seufzte, ebenso wie Nine wenige Minuten zuvor:
    »Wie spät ist es denn?«
    »Neun Uhr«, sagte Maigret. »Sieht aus, als ob Ihnen das Kokain nicht bekäme!«
    »Das ist kein Kokain, das ist Äther. Roger sagt, das sei besser, und …«
    Sie fror. Sie stand auf, um sich an den Heizkörper zu lehnen, und sah hinaus.
    »Es gibt wieder Regen …«
    Dies alles war trübselig, entmutigend. Der Kamm auf dem Frisiertisch war voller Haare. Nines Strümpfe lagen auf dem Boden herum.
    »Ich störe Sie, nicht wahr? Aber es scheint etwas Wichtiges zu sein. Es handelt sich um Rogers Vater. Er ist gestorben …«
    Maigret beobachtete Nine und bemerkte, daß sie auf einmal die Stirn runzelte, wie jemand, dem plötzlich eine Idee kommt. Im gleichen Augenblick faßte die Frau, die ihren Satz nicht beendete, sich ans Kinn, dachte nach und murmelte:
    »Sollte das …«
    Und der Kommissar fragte sie:
    »Kennen Sie Rogers Vater?«
    »Ich habe ihn noch nie gesehen. Aber … Warten Sie! Sagen Sie, Nine, Ihrem Freund ist doch nichts zugestoßen?«
    Nine und der Kommissar tauschten einen Blick aus.
    »Wieso?«
    »Ich weiß nicht … Das ist alles so kompliziert. Mir fällt gerade ein, daß Roger mir irgendwann einmal gesagt hat, sein Vater gehe hier im Hotel ein und aus. Roger fand das amüsant. Aber er wollte ihm lieber nicht begegnen, und einmal, als jemand die Treppe heraufkam, kam er plötzlich ins Zimmer zurückgerannt. Und ich meine, der Betreffende sei hier in dieses Zimmer gegangen …«
    Nine hatte zu frühstücken aufgehört. Das Tablett, das sie auf den Knien hatte, war ihr im Weg, und ihr Gesicht verriet ihre wachsende Unruhe.
    »Sein Sohn?« sagte sie langsam, während ihr Blick durch das blaugrüne Rechteck des Fensters hindurchging.
    »Ja dann …« rief die andere, »dann ist das Ihr Freund, der tot ist? Es soll sogar Mord gewesen sein …«
    »Heißt Roger mit Nachnamen Couchet?«
    »Roger Couchet, ja!«
    Alle drei schwiegen verwirrt.
    »Was macht er?« fragte der Kommissar schließlich nach einer langen Pause, in der man nur das Stimmengemurmel aus dem Nebenzimmer hörte.
    »Wie bitte?«
    »Was hat er für einen Beruf?«
    Und die junge Frau plötzlich:
    »Sind Sie etwa von der Polizei?«
    Sie war aufgeregt. Es schien, als wollte sie Nine vorwerfen, sie in eine Falle gelockt zu haben.
    »Der Kommissar ist sehr nett!« sagte Nine, während sie ein Bein aus dem Bett streckte und sich hinabbeugte, um nach ihren Strümpfen zu angeln.
    »Das hätte ich mir gleich denken können … Aber dann, dann wußten Sie also schon, bevor ich hereinkam …«
    »Ich hatte noch nie etwas von Roger gehört!« sagte Maigret. »Aber jetzt müssen Sie mir einige Auskünfte über ihn geben …«
    »Ich weiß nichts … Wir sind erst seit knapp drei Wochen zusammen …«
    »Und davor?«
    »Da hatte er eine große Rothaarige, die sich als Maniküre ausgab …«
    »Arbeitet er?«
    Diese Frage schien ihr noch
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