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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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Treppe am Quai des Orfèvres hinauf und trennten sich im Flur. Lapointe und Janvier gingen ins Inspektorenbüro, während Maigret in seinem Arbeitszimmer verschwand, wo er seinen Mantel und seinen Hut in den Wandschrank hängte.
    Er rührte die Cognacflasche nicht an, die er für besondere Kunden in Reserve hielt. Er hatte kaum Zeit, sich eine Pfeife zu stopfen, da klopfte Lucas an und legte ihm eine dicke Akte hin.
    »Das habe ich oben gefunden, Chef. Es scheint die richtige zu sein.«
    Es war tatsächlich die richtige. Sie trug den Namen eines gewissen Pierre Millard, genannt Pierrot, zweiunddreißig Jahre alt, geboren in Paris im Quartier de la Goutte-d’Or.
    Mit achtzehn war er erstmals straffällig geworden, da hatte er wegen Kuppelei in Paris vor Gericht gestanden. Dann folgten zwei weitere Strafen aus dem gleichen Grund, die er in Fresnes abgesessen hatte, darauf schloss sich eine Verurteilung wegen Körperverletzung in Marseille an, und schließlich hatte er wegen Einbruchs in eine Fabrik in Bordeaux, bei dem er einen Nachtwächter so brutal niedergeschlagen hatte, dass dieser lebensgefährlich verletzt war, eine fünfjährige Gefängnisstrafe in Fontevrault verbüßen müssen.
    Er war erst vor anderthalb Jahren aus der Haft entlassen worden. Seitdem hatte die Polizei jede Spur von ihm verloren.
    Maigret griff zum Hörer und rief in Toulon an.
    »Sind Sie’s, Blanc? Hören Sie, mein Alter, die Sache hier hat sich erledigt. Ein gewisser Pierre Millard, genannt Pierrot, hat zwei Kugeln abgekriegt.«
    »Ein kleiner Dunkelhaariger?«
    »Ja. Seine Leiche wird gerade aus der Marne geborgen, in die er kopfüber gestürzt ist. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    »Dazu müsste ich meine Leute befragen. Soviel ich weiß, hat er sich vor gut einem Jahr hier rumgetrieben.«
    »Das ist gut möglich. Er kam aus Fontevrault, hatte also hier keine Aufenthaltsgenehmigung. Vielleicht können Sie jetzt, wo Sie dessen Namen kennen, Alfred Meurant ein paar konkrete Fragen stellen. Ist er noch bei Ihnen?«
    »Ja. Soll ich Sie zurückrufen?«
    »Ja, bitte.«
    In Paris war Millard jedenfalls vorsichtig gewesen. Er kam zwar oft hierher, sogar fast täglich, aber er vermied es, hier zu übernachten.
    An den Ufern der Marne hatte er einen sicheren Unterschlupf, in der Hütte der alten Frau, die vermutlich seine Großmutter war.
    Seit dem Doppelmord in der Rue Manuel hatte er sein Versteck nicht verlassen. Und Ginette Meurant hatte nicht versucht, zu ihm zu fahren. Sie hatte ihm keine einzige Nachricht geschickt. Vielleicht wusste sie nicht einmal, wo er sich versteckt hielt.
    Wenn die Sache anders verlaufen wäre, vor allem, wenn Nicolas Cajou nicht ausgesagt hätte, wäre Gaston Meurant zum Tode oder zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt worden. Im günstigsten Fall wäre er in Anbetracht des geringsten Zweifels und seiner tadellosen Vergangenheit mit zwanzig Jahren davongekommen.
    Und Millard hätte dann nach der Vollstreckung des Urteils aus seinem Loch herauskommen und in die Provinz oder ins Ausland gehen können, und Ginette hätte ihm einfach folgen können.
    »Hallo? Ja …«
    Maigret erhielt einen Anruf aus dem Départment Seineet-Marne. Es war die Polizei von Gournay, sie meldete ihm, dass man Goldmünzen, Wertpapiere und ein paar Geldscheine in einer alten Brieftasche gefunden hatte. Das Ganze war in einer Blechbüchse im Gehege der Enten und Gänse vergraben.
    Die Leiche war noch nicht geborgen, wie bei allen in diesem Flussabschnitt Ertrunkenen hoffte die Polizei, sie am Staudamm von Chelles zu entdecken. Der Schleusenwärter dort hatte schon genügend Erfahrung in dieser Hinsicht gesammelt.
    Im Haus der alten Frau waren noch andere Dinge zum Vorschein gekommen, unter anderem ein alter Koffer auf dem Dachboden mit einem Brautkleid aus dem Zweiten Kaiserreich, einem Frack, noch ein paar anderen Kleidern, einige davon aus rotbrauner oder pastellblauer Seide mit Verzierungen aus vergilbter Spitze. Der Fund jedoch, über den alle am meisten staunten, war eine Zuaven-Uniform aus der Zeit um 1900.
    Die Frau mit den vielen Gänsen erinnerte sich kaum noch an ihre Familie, und der Tod ihres Enkels schien sie nicht sonderlich zu berühren. Als es hieß, sie müsse nach Gournay, um vernommen zu werden, war sie nur um die Tiere besorgt, und die Polizei musste sie noch am selben Abend zurückfahren.
    Vermutlich würde sich niemand mit ihrer Vergangenheit befassen, auch nicht mit ihren Kindern, deren Spur man verloren
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