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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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hörte zerstreut zu, und man hatte den Eindruck, als ginge ihn das alles nichts mehr an. Die meiste Zeit über starrte er flussabwärts auf das trübe Wasser der Marne.
    Lapointe fuhr in seiner Erklärung fort:
    »Während der Mann gerudert ist, saß er mit dem Rücken zum Ufer im Boot. Er konnte Meurant also nicht sehen, der hier an diesem Baum gestanden hat.«
    »Wussten Sie, dass er schießen würde?«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass er bewaffnet war.«
    Maigret ließ sich nichts anmerken. Dennoch zwinkerte Janvier ihm zu, als ob er anfinge, alles zu begreifen.
    »Das Boot hat das Ufer berührt. Der Ruderer ist aufgestanden, hat das Tau genommen, und in dem Augenblick, als er sich umgedreht hat, stand er Meurant direkt gegenüber. Sie waren höchstens drei Meter voneinander entfernt.
    Ich weiß nicht, ob sie miteinander gesprochen haben. Ich war zu weit weg.
    Fast im selben Moment hat Meurant eine Pistole aus seiner Tasche gezogen und den rechten Arm ausgestreckt.
    Der andere, der in dem Boot stand, muss von den beiden unmittelbar hintereinander abgefeuerten Schüssen getroffen worden sein. Denn er hat das Seil losgelassen, mit den Armen in der Luft gerudert, und dann ist er kopfüber ins Wasser gefallen …«
    Alle schauten jetzt zum Fluss. Durch den Regen der vergangenen Tage war er angeschwollen, und die gelblichen Wassermassen bildeten an einigen Stellen dicke Strudel.
    »Ich habe die Wirtin gebeten, die Polizei zu verständigen, und bin direkt hierher gerannt …«
    »Sind Sie bewaffnet?«
    »Nein.«
    Möglicherweise ein wenig gedankenlos fügte Lapointe hinzu:
    »Es bestand keine Gefahr.«
    Die Polizisten verstanden nicht. Ebenso wenig die Männer vom Überfallkommando. Selbst wenn sie den Bericht über den Prozess in den Zeitungen gelesen hatten, waren sie trotzdem noch nicht über alle Einzelheiten des Falls informiert.
    »Meurant hat nicht versucht zu fliehen. Er ist dort geblieben, wo er stand, hat zugesehen, wie der Körper im Wasser verschwunden und dann zwei- oder dreimal wiederaufgetaucht ist, immer ein Stück weiter entfernt, bevor er endgültig untergegangen ist.
    Als ich bei ihm war, hat er seine Waffe fallen lassen. Ich habe sie nicht angerührt.«
    Die Pistole lag neben einem abgefallenen Ast und war zur Hälfte im aufgeweichten Boden des Weges versunken.
    »Hat er nichts gesagt?«
    »Nur zwei Worte:
    ›Das war’s.‹«
    Für Gaston Meurant war es das wirklich, er hatte sein Ziel erreicht. Sein Körper schien kraftlos, seine Augen waren vor Müdigkeit geschwollen.
    Er triumphierte nicht, zeigte keinerlei Bedürfnis, sich zu erklären oder zu rechtfertigen. Die ganze Angelegenheit ging nur ihn allein etwas an.
    In seinen Augen hatte er das getan, was er tun musste.
    Hätte er sonst jemals Frieden gefunden? Würde er ihn jetzt finden?
    Kurz darauf erschienen Vertreter der Staatsanwaltschaft von Melun am Tatort.
    Die Verrückte stand immer noch kopfschüttelnd auf der Türschwelle, sie hatte noch nie so viele Leute vor ihrem Haus gesehen.
    »Möglicherweise«, sagte Maigret zu seinen Kollegen, »werden Sie noch die eine oder andere Überraschung erleben, wenn Sie die Hütte durchsuchen.«
    Er hätte bleiben und bei der Durchsuchung anwesend sein können.
    »Meine Herren, ich werde Ihnen alle Informationen zukommen lassen, die Sie brauchen.«
    Er würde Meurant nicht nach Paris zurückbringen, denn für diesen Mann war der Quai des Orfèvres nicht mehr zuständig, ebenso wenig wie die Pariser Staatsanwaltschaft.
    Er würde in einem anderen Gerichtsgebäude, in Melun, zum zweiten Mal vor dem Schwurgericht erscheinen.
    Maigret fragte Lapointe und Janvier:
    »Kommt ihr mit, Kinder?«
    Er gab den Kollegen reihum die Hand. Bevor er sich abwandte, warf er Ginettes Mann einen letzten Blick zu.
    Meurant, der plötzlich seine Müdigkeit zu spüren schien, hatte sich wieder an den Baum gelehnt und sah dem Kommissar mit leicht melancholischem Blick nach.

8
    Während der Rückfahrt wechselten sie kaum ein Wort. Lapointe hob mehrmals an, etwas zu sagen, aber Maigret schwieg so verbissen und eigensinnig, dass er sich jede Bemerkung verkniff.
    Janvier saß am Steuer, und allmählich fing er an, alles zu begreifen.
    Wären sie weniger weit von Paris entfernt gewesen, hätten sie Gaston Meurant mitgenommen.
    »Vielleicht ist es besser so«, murmelte Janvier, als spräche er mit sich selbst.
    Maigret stimmte weder zu, noch hielt er dagegen. Was wollte Janvier damit eigentlich sagen?
    Sie stiegen alle drei die
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