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Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht

Titel: Maigret - 55 - Maigret vor dem Schwurgericht
Autoren: Georges Simenon
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Krankenhaus gekommen. Am fünfundzwanzigsten war er noch in seinem Büro im Hotel, und er versichert, dass das Paar an diesem Tag dort war.«
    Im Saal wurde es unruhig, und Bernerie hob die Stimme, was bei ihm selten vorkam, und rief:
    »Ruhe, oder ich lasse den Saal räumen!«
    Eine Frauenstimme versuchte, sich Gehör zu verschaffen:
    »Herr Vorsitzender, ich …«
    »Ruhe!«
    Und der Angeklagte biss die Zähne zusammen und warf Maigret einen hasserfüllten Blick zu.

3
    Niemand rührte sich, während sich der Vorsitzende Richter zu seinen Beisitzern hinüberneigte und leise mit ihnen sprach. Es bildete sich ein dreiköpfiges Kolloquium, das ebenfalls an religiöse Zeremonien erinnerte, denn man sah, wie sich die Lippen wie beim kirchlichen Responsorium lautlos bewegten und die Köpfe sich in einem seltsamen Rhythmus neigten. Dann kam der Augenblick, in dem sich der Generalstaatsanwalt in seiner roten Robe von seinem Platz erhob, um sich mit dem Vorsitzenden zu besprechen, und wenig später hatte man den Eindruck, dass der junge Verteidiger das Gleiche tun würde. Er zögerte sichtlich, war unruhig, seiner selbst noch nicht sicher genug, und er stand schon fast, als Bernerie mit seinem Hammer auf den Tisch klopfte und die Richter wie auf einem Gemälde ihre Plätze wieder einnahmen. Xavier Bernerie verkündete teilnahmslos:
    »Das Gericht dankt dem Zeugen für seine Aussage und bittet ihn, den Saal nicht zu verlassen.«
    Seine Bewegungen erinnerten immer noch an einen Priester, wie er nach seinem Barett tastete, es in die Hand nahm, aufstand und sein Responsorium zu Ende brachte.
    »Die Verhandlung wird für eine Viertelstunde unterbrochen.«
    Von einer Sekunde auf die andere wurde es laut wie auf einem Schulhof, der Lärm glich einer Explosion aus allen möglichen Geräuschen. Die Hälfte der Zuhörer verließ ihre Plätze; einige blieben zwischen den Bankreihen stehen und gestikulierten, andere drängelten sich zu der großen Tür, die von Polizeibeamten geöffnet wurde, während der Angeklagte von zwei weiteren Polizisten durch einen Ausgang abgeführt wurde, der in die Wandverkleidung eingelassen und kaum zu erkennen war. Pierre Duché hatte Mühe, ihm zu folgen, und auch die Geschworenen verschwanden auf der anderen Seite durch eine Tür in der Wandverkleidung.
    Die Anwälte im Talar, meist junge, darunter eine Rechtsanwältin, die sich gut für das Titelfoto einer Illustrierten geeignet hätte, bildeten neben dem Zeugeneingang eine schwarzweiße Menschentraube. Man diskutierte die Artikel 310, 311, 313 und weitere der Strafprozessordnung, und einige äußerten sich empört über Regelverstöße im Ablauf der Verhandlung, die unweigerlich zur Revision führen würden.
    Ein alter Anwalt mit gelben Zähnen und abgewetzter Robe, der mit seiner unangezündeten Zigarette zwischen den Lippen gelassen auf die Rechtsprechung anspielte, zitierte zwei Fälle. Einen aus dem Jahr 1885 in Limoges, einen anderen von 1923 in Poitiers, wo nicht nur die Voruntersuchung in der öffentlichen Verhandlung noch einmal völlig neu durchgeführt worden war, sondern infolge einer unerwarteten Zeugenaussage der Prozess eine ganz andere Wendung genommen hatte.
    Von all dem sah Maigret, der wie ein Fels in der Brandung stand, nur schnell aufeinanderfolgende Szenen, schnappte lediglich Satzbruchstücke auf und schaffte es noch, im sich leerenden Saal zwei seiner Leute zu entdecken, als er von Journalisten umringt wurde.
    Es herrschte die gleiche Aufregung wie bei einer Generalprobe im Theater nach dem ersten Akt.
    »Was halten Sie selbst von der Bombe, die Sie soeben haben platzen lassen, Herr Kommissar?«
    »Welche Bombe?«
    Maigret stopfte bedächtig seine Pfeife. Er hatte Durst.
    »Glauben Sie, dass Meurant unschuldig ist?«
    »Ich glaube gar nichts.«
    »Verdächtigen Sie seine Frau?«
    »Meine Herren, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich dem, was ich im Zeugenstand gesagt habe, nichts hinzuzufügen habe.«
    Dass die Meute ihn plötzlich in Ruhe ließ, verdankte er einem jungen Reporter, der sich auf Ginette Meurant gestürzt hatte, die zum Ausgang eilte, und dem nun die anderen hinterherrannten, um eine mögliche Sensationsmeldung unter keinen Umständen zu verpassen.
    Alle blickten zu den davonstürzenden Reportern hinüber. Maigret machte sich das zunutze, schlüpfte durch den Zeugenausgang und befand sich auf dem Flur, wo die Männer Zigaretten rauchten und andere, die sich im Gebäude weniger gut auskannten, die Toiletten
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