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Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Titel: Maigret - 43 - Hier irrt Maigret
Autoren: Georges Simenon
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Meineid ablegen würde, um Ihnen aus der Klemme zu helfen.«
    »Das würde sie ohne Zögern tun. Meine Frau hat sich ja auch schon mit Ihnen in Verbindung gesetzt.«
    »Hat sie es Ihnen selbst erzählt?«
    »Genau wie vorhin Lucile hat sie mir sämtliche Einzelheiten Ihrer Unterhaltung wiedergegeben.«
    Er sprach von seiner Frau im gleichen unbeteiligten Ton wie vorhin von seiner Assistentin. In seiner Stimme lag nicht die geringste Wärme. Es waren Tatsachen, die er feststellte und schilderte, ohne ihnen irgendeinen Gefühlswert beizumessen.
    Die kleinen Leute, die mit ihm in Berührung kamen, mußten von seiner Einfachheit begeistert sein. Und tatsächlich war nichts an ihm Pose; er schien sich nicht im geringsten um die Wirkung zu kümmern, die er auf andere ausübte.
    Man begegnet nur selten Menschen, die nicht irgendeine Rolle spielen – die sie auch dann spielen, wenn sie mit sich allein sind. Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, sich selbst agieren zu sehen, sich sprechen zu hören. Nicht so Gouin. Er war voll und ganz er selbst, und er nahm sich nicht die Mühe, seine Gefühle zu verbergen.
    Vorhin, als er von Lucile Decaux sprach, schienen seine Haltung und seine Worte ausdrücken zu wollen:
    Was sie für Ergebenheit hält, ist im Grunde nur eine Art Eitelkeit, nur das Bedürfnis, sich für außergewöhnlich zu halten. Jede meiner Hörerinnen würde dasselbe tun wie sie. Es macht ihr Leben interessant, und sie bildet sich zweifellos ein, ich sei ihr zu Dank verpflichtet.
    Wenn er es nicht gesagt hatte, so deshalb, weil er Maigret für fähig hielt, ihn auch so zu verstehen, da er zu ihm wie zu seinesgleichen sprach.
    »Ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, warum ich Sie heute abend angerufen und zu mir gebeten habe. Davon abgesehen hatte ich ohnehin den Wunsch, Sie kennenzulernen.«
    Er war ein Mann, und er war aufrichtig. Seitdem sie einander gegenübersaßen, hatte er den Kommissar unentwegt beobachtet. Er tat es nicht heimlich, sondern wie man ein Exemplar der Gattung Mensch betrachtet, das man näher kennenlernen möchte.
    »Während ich mit meiner Frau beim Abendessen saß, wurde ich angerufen. Es handelt sich um jemanden, den Sie schon kennen: um Madame Brault, Louises Putzfrau.«
    Er sagte nicht Lulu, sondern Louise, und er sprach von ihr mit derselben Sachlichkeit wie von den anderen, weil er wußte, daß Erklärungen überflüssig waren.
    »Madame Brault bildet sich ein, ein Mittel zu besitzen, um mich zu erpressen. Sie hat nicht lange darum herumgeredet, wenn ich ihren ersten Satz auch nicht gleich mitbekommen habe:
    ›Ich habe den Revolver, Monsieur Gouin‹, sagte sie, und ich fragte mich zuerst, um was für einen Revolver es sich überhaupt handelte.«
    »Darf ich eine Frage stellen?«
    »Ich bitte Sie darum.«
    »Kennen Sie diese Madame Brault persönlich?«
    »Ich glaube nicht. Ich wußte nur von Louise, daß es sie gab. Scheint ein eigenartiges Wesen zu sein, mehrmals vorbestraft übrigens. Sie hatte nur am Vormittag in der Wohnung zu tun; ich selber bin um diese Tageszeit kaum jemals dort gewesen und kann mich nicht erinnern, sie je gesehen zu haben. Vielleicht bin ich ihr auf der Treppe begegnet?«
    »Bitte fahren Sie fort.«
    »Sie hat mir also mitgeteilt, daß sie am Montag morgen beim Betreten des Salons den Revolver gefunden hatte, der auf dem Tisch lag, und …«
    »Hat sie ausdrücklich gesagt: ›auf dem Tisch‹?«
    »Ja. Sie sagte noch, sie hätte ihn auf dem Treppenflur versteckt, in einem Fayencetopf, in dem eine Blattpflanze steht. Ihre Leute haben zwar die Wohnung durchsucht, sind aber nicht auf den Gedanken gekommen, außerhalb der Wohnung nachzusehen.«
    »Kein schlechter Einfall von ihr.«
    »Kurz, der Revolver befindet sich in ihrem Besitz, und sie ist bereit, ihn mir gegen eine gewisse Summe zurückzuerstatten.«
    » Zurückzuerstatten?«
    »Er gehört mir.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Sie hat ihn mir genau beschrieben, Seriennummer und so weiter.«
    »Befindet sich die Waffe schon seit langem in Ihrem Besitz?«
    »Seit acht oder neun Jahren. Ich war nach Belgien gefahren, um dort zu operieren. Damals ging ich öfter auf Reisen als heute. Ich wurde manchmal sogar nach Amerika und nach Indien gerufen. Meine Frau hatte mir immer wieder gesagt, sie fürchte sich, tagelang, manchmal auch wochenlang allein in der Wohnung zu bleiben. Zufällig waren in dem Hotel, in dem ich in Lüttich abstieg, in einer Vitrine verschiedene Schußwaffen belgischen Fabrikats
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