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Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Maigret - 43 - Hier irrt Maigret

Titel: Maigret - 43 - Hier irrt Maigret
Autoren: Georges Simenon
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darauf erschien das Mädchen, das Maigret und Lucas hereingelassen hatte.
    »Den Cognac!«
    Während sie warteten, sprach keiner von beiden ein Wort. Das Mädchen kam mit einem Tablett zurück, auf dem außer der Flasche nur ein einziges Glas stand.
    »Sie werden entschuldigen, aber ich trinke nie«, sagte der Professor, während sich Maigret bediente.
    Er tat das nicht aus Selbstdisziplin und vermutlich auch nicht aus Diätgründen, sondern einfach, weil er es nicht brauchte.

9
    Maigret ließ sich Zeit. Das Glas in der Hand haltend, betrachtete er das Gesicht des Professors, der ihn seinerseits ruhig ansah.
    »Die Concierge ist Ihnen wohl auch zu Dank verpflichtet, nicht wahr? Wenn ich nicht irre, haben Sie ihrem Sohn das Leben gerettet.«
    »Ich erwarte von niemandem Dank.«
    »Nichtsdestoweniger ist sie Ihnen ergeben und wäre, genau wie Lucile Decaux, zu jeder Lüge bereit, wenn sie Ihnen dadurch aus der Klemme helfen könnte.«
    »Bestimmt. Es ist immer angenehm, sich für einen Helden zu halten.«
    »Fühlen Sie sich nicht manchmal einsam in der Welt, so wie Sie sie sehen?«
    »Der Mensch ist einsam, wie immer er darüber auch denken mag. Es genügt, das einzusehen und sich damit abzufinden.«
    »Ich dachte, Sie hassen die Einsamkeit?«
    »Damit meinte ich eine andere Einsamkeit. Sagen wir, wenn Sie das vorziehen, daß ich mich vor dem Alleinsein fürchte. Ich bin nicht gern allein in einer Wohnung, auf der Straße oder im Wagen. Es handelt sich um eine physische Einsamkeit, nicht um eine seelische.«
    »Haben Sie Angst vor dem Tod?«
    »Der Tod selbst läßt mich gleichgültig. Ich hasse nur das Sterben und alles, was damit zu tun hat. In Ihrem Beruf, Kommissar, sind Sie all dem ja fast ebensooft begegnet wie ich.«
    Er wußte nur allzu gut, daß das sein wunder Punkt war; diese Angst, allein zu sterben, war seine kleine menschliche Schwäche, die ihn allem zum Trotz zu einem Menschen wie alle anderen machte. Er schämte sich dessen nicht.
    »Seit meinem letzten Herzanfall habe ich fast immer jemanden bei mir. Medizinisch gesehen ist das absolut nutzlos. Aber, so merkwürdig das auch scheinen mag: jede menschliche Gegenwart beruhigt mich. Einmal, als ich allein in der Stadt war und von einem leichten Unwohlsein befallen wurde, bin ich in die erstbeste Bar gegangen.«
    Maigret wählte diesen Augenblick, um die Frage zu stellen, die er seit längerer Zeit in Reserve hatte.
    »Wie haben Sie reagiert, als Sie merkten, daß Louise schwanger war?«
    Er schien überrascht, nicht weil davon gesprochen wurde, sondern weil Maigret darin ein Problem erblickte.
    »Ich habe überhaupt nicht reagiert«, sagte er einfach.
    »Hat sie es Ihnen nicht gesagt?«
    »Nein. Ich nehme an, daß sie es noch nicht wußte.«
    »Sie erfuhr es Montag gegen sechs Uhr. Sie sind dann bei ihr gewesen. Hat sie Ihnen nichts davon gesagt?«
    »Sie sagte nur, daß sie sich nicht gut fühle und sich hinlegen wolle.«
    »Dachten Sie, das Kind sei von Ihnen?«
    »Ich habe an nichts dergleichen gedacht.«
    »Haben Sie nie Kinder gehabt?«
    »Soviel ich weiß, nicht.«
    »Und Sie haben sich auch nie eins gewünscht?«
    Maigret, der sich seit dreißig Jahren nichts sehnlicher wünschte, als Vater zu sein, war von der Antwort des Professors schockiert.
    » Weshalb denn?« ,erkundigte sich dieser.
    »Das ist ja allerhand!«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts.«
    »Es gibt Leute, die keine ernsthaften Interessen im Leben haben und sich einbilden, sie könnten durch ein Kind ihrem Leben irgendeine Bedeutung oder einen Sinn verleihen. Sie glauben, auf diese Weise etwas zu hinterlassen. Das ist bei mir nicht der Fall.«
    »Glauben Sie nicht, daß sich Lulu angesichts Ihres Alters und des Alters ihres Geliebten einbilden mußte, das Kind sei von Pierrot?«
    »Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist das unhaltbar.«
    »Ich spreche von dem, was sie sich einbildete.«
    »Das ist möglich.«
    »Genügte das nicht, um den Entschluß zu fassen, Sie zu verlassen und mit Pierrot zu leben?«
    »Nein«, gab er ohne Zögern zurück, wie jemand, der sicher ist, im Besitz der Wahrheit zu sein. »Mir gegenüber hätte sie bestimmt behauptet, das Kind sei von mir.«
    »Hätten Sie es anerkannt?«
    »Warum nicht?«
    »Selbst wenn Sie an Ihrer Vaterschaft gezweifelt hätten?«
    »Was macht das für einen Unterschied? Ein Kind ist ein Kind.«
    »Hätten Sie die Mutter geheiratet?«
    »Ich sehe nicht ein, warum ich das hätte tun sollen.«
    »Sie glauben also, daß
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