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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten
Autoren: Georges Simenon
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Seine-et-Oise, und der Kommissar brauchte nur die aussteigende Frau anzusehen, um zu begreifen.
    Es war Ducraus Tochter. Sie hatte die ungeschliffene, kraftstrotzende Art ihres Vaters. Ihr Mann, in Zivil, schmalschultrig in einem dunklen Anzug, schloss die Türen ab und steckte den Schlüssel in seine Tasche.
    Aber sie hatten etwas vergessen. Schon bei der Tür angelangt, kehrte die Frau nochmals um. Der Mann nahm den Schlüssel wieder hervor, öffnete eine Tür und holte eine kleine Tüte hervor, in der wohl Rosinen waren, ein Geschenk, wie man es etwa auf Krankenbesuchen mitbringt.
    Endlich verschwand das Paar streitend im Hauseingang: vulgäre, engstirnige Leute.
    Maigret, der unter dem grünen Schild der Straßenbahnhaltestelle stehen geblieben war, vergaß zu winken, als eine vorbeifuhr. Er war zu sehr in Gedanken vertieft, aber keiner seiner Gedankengänge war abgeschlossen, und er empfand es wie ein leichtes Ungleichgewicht in sich, das er so schnell wie möglich loswerden wollte. Die Schiffer kamen aus dem Lokal und verabschiedeten sich gegenseitig mit Handschlag. Einer von ihnen, ein langer Kerl mit offenem Gesicht, kam in Richtung Maigret, und der hielt ihn an.
    »Entschuldigung. Ich hätte Sie gern etwas gefragt.«
    »Wissen Sie, ich war gar nicht da.«
    »Es handelt sich nicht darum. Kennen Sie Gassin? Von wem hat seine Tochter das Kind?«
    Der Schiffer brach in Gelächter aus.
    »Es ist doch gar nicht ihr Kind!«
    »Sind Sie sicher?«
    »Der alte Gassin hat es eines schönen Tages nach Hause gebracht. Er ist seit fünfzehn Jahren Witwer. Er hat sich das Kind wohl irgendwo im Norden eingehandelt, bei irgendeinem Weibsbild in einem Kabarett oder an einer Schleuse.«
    »Und seine Tochter hat nie ein Kind gehabt?«
    »Aline? Haben Sie sie nicht angesehen? Übrigens, seien Sie vorsichtig bei ihr. Sie ist ein bisschen anders als die andern.«
    Passanten streiften an ihnen vorbei. Die beiden Männer standen in der prallen Sonne, die auf Maigrets Nacken niederbrannte.
    »Es sind anständige Leute. Gassin trinkt ein wenig zu viel, aber Sie dürfen nicht glauben, er sei immer so wie heute. Die Geschichte von vorgestern hat ihm ziemlich zugesetzt. Heute Morgen dachte er, Sie würden ihm bestimmt Ärger machen.«
    Der lange Bursche lächelte, tippte an den Rand seiner Mütze und ging davon. Auch Maigret wollte nun mittagessen gehen. Die Betriebsamkeit um ihn herum hatte etwas nachgelassen, der Steinbrecher war abgestellt worden, der Verkehr ließ nach, und man hätte meinen können, selbst bei der Schleuse funktioniere nun alles in gedrosseltem Tempo …
    Er würde natürlich wiederkommen. Vermutlich müsste er sogar mehrere Tage lang in diese kleine Welt eintauchen, deren Eigenleben er erst zu ahnen begann.
    Ob wohl Gassin an Bord zurückgekehrt war und nun in der lackierten Kabine bei Tisch saß, vor der kleingeblümten rosa Tischdecke?
    Sicher war, dass bei den Ducraus gestritten wurde und dass die Rosinen nicht dazu angetan waren, den guten Mann in Stimmung zu versetzen.
    Maigret ging in das Bistro zurück, ohne recht zu wissen, weshalb. Der Saal war leer. Der Wirt und seine Frau, eine recht hübsche kleine Brünette, die keine Zeit gehabt hatte, sich zurechtzumachen, aßen neben der Theke Ragout, und in einfachen Bechern schimmerte der Rotwein.
    »Schon wieder da?«, rief Fernand aus und wischte sich den Mund ab.
    Man hatte ihn hier aufgenommen. Er hatte sich nicht einmal vorzustellen brauchen.
    »Sie haben doch hoffentlich die Kleine nicht durcheinandergebracht? Noch ein Helles? Irma, geh, hol ein frisches Bier.«
    Er schaute hinaus, nicht zum Hafen, sondern zum Lokal gegenüber.
    »Der arme Gassin macht sich noch krank damit. Natürlich ist es nicht lustig, ins Wasser zu fallen, noch dazu bei Nacht, und plötzlich zu spüren, wie jemand Sie zum Grund hinabzieht.«
    »Ist er an Bord zurückgegangen?«
    »Nein. Er sitzt da drüben.«
    Und der Wirt zeigte auf das andere Lokal, wo man zwischen vier Gästen, die auch immer weitertranken, Gassin vollkommen betrunken gestikulieren sah.
    »So zieht er von einer zur andern.«
    »Man könnte meinen, er weine.«
    »Er weint auch. Er hat seit heute Morgen mindestens fünfzehn Aperitifs gekippt, den Rum nicht mitgezählt.«
    Die Wirtin brachte ein eiskaltes Bier, das Maigret in kleinen Schlucken trank.
    »Hat seine Tochter keine Männergeschichten?«
    »Aline? Nie und nimmer!«
    Fernand sagte das so, als wäre die Idee, Aline könnte solche Geschichten haben, nun wirklich
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